Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .TXT) 📗
Unter den Decksgangen warteten schweigend die Geschutzbedienungen bei ihren Kanonen. Dort war das Deck mit Sand bestreut, damit die nackten Fu?en der Matrosen besseren Halt fanden, wenn der Kampf erst im Gange war: neben jedem Zwolfpfunder stand ein frischgefullter Wassereimer fur den Schwabber oder zum Loschen, falls Planken oder Tauwerk, beide trocken wie Zunder, Feuer fangen sollten. Bei jedem Niedergang hielt ein MarineInfanterist mit aufgepflanztem Bajonett Wache, breitbeinig das leichte Rollen des Schiffes ausgleichend, dessen Pflicht es war, jeden vor Angst kopflosen Matrosen, dem der Kampf an Deck zu hei? wurde, daran zu hindern, da? er nach unten floh.
Endlich nahm Bolitho doch ein Teleskop und richtete es uber die Finknetze. Das Straflingsschiff taumelte massig vor der Linse vorbei, doch dann hatte er das Glas richtig eingestellt und auf einen Punkt dicht unter der Kimm fixiert, direkt auf den Backbordbug des vordersten feindlichen Schiffes. Er brauchte den Kopf nicht zu wenden, sondern wu?te auch so, da? die Umstehenden ihn beobachteten. Sie hatten sich die aufkommenden Schiffe schon langst genau angesehen. Jetzt wollten sie wissen, wie er reagierte, und das wurde sie entweder zuversichtlich stimmen oder verunsichern. Er bi? die Zahne zusammen und versuchte, moglichst ausdruckslos dreinzublicken.
Mit vorsichtigen Bewegungen des Glases glich er das Rollen der Hyperion aus und sah die beiden Fregatten. Sie segelten so dicht beieinander und mit dem Bug fast auf sein Glas zu, da? sie tatsachlich wie ein einziges riesiges, sonderbar gebautes Fahrzeug aussahen. Das eine lag etwas voraus, hatte auch mehr Segel gesetzt, und eben entfalteten sich unter seinem Blick auch noch die Bramsegel. Sechsunddrei?ig Kanonen hatte sie mindestens, und die zweite Fregatte war nicht viel kleiner.
Doch weiter achteraus und auf Steuerbordbug lag ein Linienschiff. Wie die Fregatten fuhr es keine Flagge; aber der Bau des Vorschiffs, der elegante Schwung der Masten waren nicht zu verkennen: ein franzosischer Zweidecke r, wahrscheinlich aus einem der Mittelmeerstutzpunkte ausgelaufen, um Hoods Blockade zu testen. Bolitho senkte das Glas und blickte zu den Transportern hinuber. Da haben die Franzosen gleich zu Anfang einen guten Happen, dachte er grimmig.
«Wir behalten diesen Kurs bei, Mr. Rooke«, sagte er.»Hat keinen Zweck, nach Suden auszuweichen. Der Gegner ist im Vorteil, wenn er in Luv bleibt, und sudwarts«-, er lachelte fluchtig —,»liegt nur Afrika, weiter nichts.»
Rooke nickte.»Aye, Sir. Glauben Sie, da? sie angreifen werden?»
«In spatestens einer Stunde geht's los, Mr. Rooke. Der Wind konnte abflauen. Ich wurde an ihrer Stelle bestimmt angreifen.»
Aus dem, was er im Teleskop gesehen hatte, versuchte er, sich ein Bild von dem franzosischen Zweidecker zu machen. Er war nur ein bi?chen gro?er als die Hyperion; aber, und das schlug stark zu
Buche, er wurde vermutlich schneller sein, denn er hatte ausgiebig im Hafen gelegen. Dockarbeiter und Takler hatten sich ausfuhrlich mit ihm beschaftigen konnen.
Er fa?te einen Entschlu?.»Ruder zwei Strich Backbord. Wir beziehen Position dicht achteraus vom Geleit. Signal an die Harve-ster: >Gehen Sie sofort auf Station in Luv des Fuhrerschiffs<.»
«Und die Snipe, Sir?«fragte Rooke gespannt.
«Die kann wohl ihre gegenwartige Position beibehalten. «Er stellte sich das Unheil, die totale Zerstorung vor, welche die Breitseite einer Fregatte auf einem so zerbrechlichen Schiffchen anrichten mu?te.
«Jetzt ist der Gegner am Zug — und das sehr bald.»
Mit rundgebra?ten Rahen kreuzte die Hyperion langsam das Kielwasser der anderen Schiffe, wahrend die Harvester, Bram- und Royalsegel wie in plotzlichem Kampfeseifer ballonartig geblaht, kuhn am Heck die Justice vorbeirauschte und sich ebenso schwungvoll die Erebus, dem vordersten Transportschiff, naherte.
«Die feindlichen Fregatten sind uber Stag gegangen, Sir«, rief Leutnant Dalby. Bolitho beschattete die Augen. Beide Schiffe schwangen herum und krangten stark im Wind. Nach dem Manover mu?ten sie parallel zum Geleitzug laufen, mit etwa funf Meilen Abstand. Selbst ohne Glas konnte Bolitho ausmachen, da? ihre Stuckpforten noch geschlossen waren. Zweifellos konzentrierten sich die beiden Kommandanten vorerst darauf, in moglichst gunstige Schu?position zu kommen.
Der Zweidecker hielt majestatisch seinen Kurs, als wolle er achteraus am Geleit vorbei, ohne es uberhaupt zu beachten. Sein Kommandant tat genau das, was Bolitho ebenfalls getan hatte: er lie? die beiden Fregatten auf das Geleit los und entweder die Har-vester oder das Fuhrerschiff angreifen — oder beide zugleich. Wollte die Hyperion naher heran, um der Harvester beizustehen, wurde sie einige Zeit brauchen, um zuruckzusetzen und das Geleit von achtern zu schutzen; inzwischen konnte der Zweidecker bereits zugeschlagen haben. Es war die alteste Lektion in Kriegskunst: divide et impera- teile und siege.
«Kurs Nord zu Ost, Sir, voll und bei«, meldete Gossett.
«Recht so. «Er starrte zum Mastwimpel hoch.»Signal an Geleit: >Alle verfugbaren Segel setzen!<«Und Rooke befahl er scharfen
Tones:»Schnell wieder die Royals los, ich will sehen, was der Zweidecker darauf unternimmt.»
Unter Vollzeug schlo? die Hyperion zu den Transportern auf, und augenblicklich reagierten die franzosischen Schiffe. Das Linienschiff hatte zweifellos erwartet, da? Bolitho zum Geleit aufschlie?en und es so gut wie moglich vor einem Zangenangriff schutzen wurde. Eine Flucht war unwahrscheinlich und auch nicht sinnvoll. Doch da die englischen Schiffe bereits au?er Schu?weite zu kommen drohten, hatten die Franzosen gar keine Wahl — sie mu?ten die Jagd aufnehmen.
Hauptmann Ashby atmete langsam aus.»Da — bei Gott!«Der hohe Zweidecker wendete bereits; wild flappten die Segel, als er durch den Wind ging. So schnell reagierte er auf Bolithos Taktik, da? er uberma?ig krangte, als wolle seine Gro?rah die Wellenkamme streifen. Unter den Gischtbrettern, die das Manover aufwarf, verschwanden die unteren Stuckpforten vollig.
Der Segeldrill auf dem Franzosen war offenbar lange nicht so gut wie auf der Hyperion — wahrscheinlich weil jener mehr Zeit im Hafen als auf offener See verbracht hatte. Doch innerhalb einer Viertelstunde standen ihre Bram- und Royalsegel wie eine riesige Pyramide aus strahlend wei?er Leinwand.
«Sie uberholt uns, Sir«, sagte Rooke tonlos.»In einer halben Stunde ist sie gleichauf. «Doch Bolitho blickte unbewegt nach vorn und beobachtete die Justice. Sie war jetzt eine knappe Meile entfernt und konnte wie die anderen Transporter das Tempo nicht mithalten. Die beiden feindlichen Fregatten lagen naher an dem Fuhrerschiff: angestrengt durch das Gewirr der Takelage spahend, sah er an der vordersten Fregatte eine Reihe kurzer Mundungsfeuer aufblitzen, begleitet von einer Rauchwolke.
Es schien Stunden zu dauern, bis das dumpfe Rumpeln der Kanonen an sein Ohr drang; und dann sagte Bolitho:»Sie konnen jetzt laden lassen, Mr. Rooke. Sorgen Sie dafur, da? die erste Breitseite ordentlich Schrapnell enthalt, das bringt Gluck!»
Gewohnlich war die erste Salve auch die letzte, bei der man einigerma?en Zeit hatte, genau zu zielen. Danach war das Feuern mehr Routine — und Gefuhlssache. Und im unteren Batteriedeck wurde es noch schlimmer sein. Dort hatten sie kaum Platz genug zum Aufrechtstehen und feuerten in einem Inferno von Enge, erstickendem
Qualm, halber Finsternis und Grauen, das besser im Verborgenen blieb.
«Die Harvester schie?t zuruck, Sir!»
Bolitho nickte. Mit halbem Auge sah er, wie seine Kanoniere die mattglanzenden Kugeln von den Gestellen holten und sie in die gahnenden Rohre rammten. Erfahrenere Geschutzfuhrer pruften jede Kugel mit beinahe liebevoller Grundlichkeit. Manche waren besser gerundet als andere. Diese wahlten sie fur die erste Breitseite aus.