Nahkampf der Giganten: Flaggkapitan Bolitho bei der Blockade Frankreichs - Kent Alexander (читать книги онлайн регистрации .TXT) 📗
«Soll ich ein Boot hinuberschicken, Sir?«fragte Rooke.
«Nein. «Bolitho rieb sich mit den Fingerknocheln die Augen.»Signalisieren Sie der Harvester und der Schaluppe Snipe: Kommandanten sofort zu mir an Bord! <»
Rooke war verunsichert.»Gehoren die auch zu unserem Geschwader, Sir?»
«Ja, Mr. Rooke. Und das Geschwader fahrt Geleit fur die drei Transporter nach Cozar.»
Bei diesen Worten mu?te er an Pomfret und sein Flaggschiff denken. Der hatte das Geleit ebensogut selbst ubernehmen konnen; wenn er eine Fregatte oder auch nur die Chanticleer nach Cozar vorausgeschickt hatte, ware das Ungewisse Warten auf neue Befehle schnell vorbei gewesen. Aber Pomfret war mit seinen Begleitschiffen und einem ziemlich schnellen Transporter losgesegelt; an Bolithos Schwierigkeiten und seinen Mangel an Frischwasser hatte er uberhaupt nicht gedacht — oder sie waren ihm gleichgultig gewesen.
Als er sich vom Fenster abwandte, war Rooke bereits drau?en, und an der Tur stand Gimlett, zeigte grinsend seine Eichhornchenzahne und rieb sich nervos-erwartungsvoll die Hande.
«Ein neues Hemd, Gimlett!«befahl Bolitho.»Und legen Sie mir gleich eine frische Uniform aus. Ich habe Besuche zu machen. «Er rieb sich das Kinn und fuhr fort:»Ich will mich waschen und rasieren, ehe die beiden Kommandanten an Bord kommen.»
Als Leach, der Kommandant der Fregatte, und Tudor, der Kommandant der Snipe, in seine Kajute gefuhrt wurden, war Bolitho wenigstens au?erlich so frisch und munter wie ein Mann, der seine Tage an Land in einem komfortablen Haus verbracht hatte. Er wartete, bis Gimlett seinen Besuchern Wein eingeschenkt hatte, und sagte dann:»Willkommen an Bord, meine Herren. Ich nehme an, Sie sind sofort segelfertig?»
Leach nickte.»Admiral Pomfret hat uns instruiert, bei den Transportern zu bleiben, nachdem der erste Geleitzug abgesegelt war. Wie es scheint, werden derartige Schiffe, wenn sie ungeschutzt segeln, in den letzten Wochen regelma?ig angegriffen, und mir ist wohler, wenn Ihre Hyperion auf uns aufpa?t. «Er lehnte sich etwas bequemer zuruck.»Freut mich ubrigens, Sie wiederzusehen, Sir. Ich nehme an, der junge Seton ist seine Seekrankheit inzwischen los?»
Tudor, ein breitgesichtiger Leutnant, sprach jetzt zum erstenmal. Entweder hatten ihm der Wein oder Leachs offenbare Vertrautheit mit Bolitho Mut gemacht.»Ich wei? nicht, ob ich das richtig verstanden habe, Sir. «Die beiden blickten ihn an, und er fuhr leicht verwirrt fort:»Der Admiral hat befohlen, da? eines der fur NeuHolland bestimmten Schiffe, die Justice, hierbleiben soll. Es ist mir klar, da? die beiden Vorratsschiffe fur unser Geschwader lebenswichtig sind — «, er hob hilflos die Schultern —,»aber ein Straflingsschiff sollte nicht unbewacht zuruckbleiben.»
Bolitho blickte ihn ernst an.»Es bleibt auch nicht zuruck. «Gleichzeitig setzten sie ihre Glaser ab und blickten ihn einer wie der andere erschrocken an.»Die Justice«, fuhr Bolitho fort,»segelt mit uns nach Cozar.»
«Aber, Sir«, protestierte Leach,»das ist doch ein Straflingsschiff! Herrgott, sie hat dreihundert Gefangene an Bord!»
«Das wei? ich. «Bolitho blickte auf den Tisch nieder, wo Pom-frets Order lag. Er konnte Leachs Verwirrung durchaus begreifen. Pomfret mu?te Bellamy von der Chanticleer bis aufs Hemd ausgefragt haben, bevor er diese uberraschende Entscheidung traf. Wie er in seiner Order geschrieben hatte:». anscheinend ist ein Teil der Befestigungsanlagen auf Cozar in schlechtem Zustand und vollig unzureichend. Da keine anderen Arbeitskrafte fur die Instandsetzung zur Verfugung stehen und mir Lord Hood volle Entsche i-dungsgewalt ubertragen hat, beabsichtige ich, einen Teil des Straflingstransports, namlich die Belegschaft des Transports Justice, dazu zu verwenden, und unterstelle diese hiermit meinem Kommando.»
Wieder einmal hatte Pomfret ganz klar erkennen lassen, da? ihm der Verbrauch von Menschen weniger bedeutete als etwa der von Segeltuch oder Spieren.
«Darf er denn das?«fragte Leach eindringlich.»Ich meine — ist es legal?»
«Vielleicht gibt es ein paar Anfragen im Parlament, Leach. Aber vermutlich kummert sich kein Mensch darum. Manche werden der Ansicht sein, da? ein Transport von Verbrechern das Land schon zu viel Geld kostet, besonders jetzt, da wir wieder im Kriege mit Frankreich sind. Diese Leute werden es fur durchaus vernunftig halten, da? die Straflinge ihre Uberfahrt sozusagen abarbeiten.»
Jedoch Leach war eigensinnig.»Aber Sie — halten auch Sie es fur richtig?»
Bolitho verschrankte die Finger unterm Tisch.»Das geht Sie nichts an, Leach!«Er sprach scharfer als beabsichtigt und wu?te, da? Leach seine innere Unsicherheit daran so deutlich erkannte, als hatte er seine wahren Gedanken laut ausgesprochen.
Tudor sah zu Boden.»Wenn das so ist.»
Auf einmal wurde Bolitho wutend.»Wenn das so ist, dann wollen wir die Sache unverzuglich in Angriff nehmen, nicht wahr, Tudor?»
«Soll ich den Kapitan der Justice informieren, Sir? «versuchte Leach die Spannung zu lockern.»Er ist ein schwieriger Mann und hat fur die Marine nicht viel ubrig.»
«Ich werde es ihm selbst sagen«, erwiderte Bolitho und schritt zum Fenster.»Keine angenehme Aufgabe.»
Leach wechselte das Thema:»Ich hore, Sie brauchen einen Ersten Offizier, Sir? Mein eigener ist ein guter Offizier, bei dem langst ein Avancement fallig ware.»
Bolitho starrte zum Straflingsschiff hinuber, als sahe er es zum erstenmal.»Danke, Leach, das ist anstandig von Ihnen. Sowohl mir gegenuber als auch Ihrem Leutnant, den Sie vermutlich nicht gern verlieren wurden. «Er schuttelte den Kopf.»Aber damit mussen wir noch eine Weile warten. Der Wind krimpt die ganze Zeit und frischt immer mehr auf. Wir mussen bald weg, sonst kommen wir nicht mehr raus und mussen den Sturm auf Reede abwettern.»
Leach nickte.»So weht es schon seit Tagen vom Atlantik. «Er stand auf und griff nach seinem Hut.»Ich bin ganz Ihrer Meinung. Wir mussen moglichst bald in See gehen.»
Bolitho geleitete die beiden Offiziere an Deck. Als sie in ihren Booten waren, befahl er:»Meine Gig, bitte! Ich will zur Justice hinuber.»
Am kurzen Blickwechsel seiner Offiziere merkte er, da? sie ganz genau wu?ten, was vor sich ging. Neuigkeiten liefen auf irgendwelchen geheimnisvollen Wegen schneller von einem Schiff zum anderen als durch das ausgeklugeltste offizielle Signalsystem.
«Haben Sie Befehle, Sir?«fragte Rooke.
«Besorgen Sie mittlerweile so viel frisches Obst, wie die Boote tragen konnen. Aber um acht Glasen gehen wir ankerauf, verstanden?»
Damit kletterte er ins Boot und wickelte sich in seinen Mantel, als wolle er seine Gedanken vor den Blicken der neugierigen Matrosen verbergen.
«Ablegen! Zu-gleich!«blaffte Allday. Leise sagte er uber Bo-lithos Schulter:»Komischer Name fur 'n Straflingsschiff, Sir. [7] Aus dem Bodmin-Gefangnis sind ein paar Leute deportiert worden, die haben blo? mal 'n Brot gestohlen. Ist das vielleicht Gerechtigkeit!»
Bolitho duckte sich vor dem Spruhwasser, das wie Hagel uber ihn wegpeitschte. Seltsam, da? Allday und seinesgleichen, die selber gewaltsam zur Marine gepre?t worden waren, so viel Mitgefuhl fur diese Leute, aber keines fur ihre Kameraden empfanden, die wie sie selbst Heimat und Familie entrissen worden waren. Doch genau wie Allday wu?te er, da? es da Unterschiede gab; und auch wenn er sich nicht daran storen durfte, wurden sie ihm doch standig bewu?t bleiben.
«Boot ahoi!«ertonte eine grobe Stimme vom verwitterten Deck des Transporters herab.
Laut und deutlich antwortete Allday:»Kommandant Seiner Majestat Linienschiff Hyperion kommt an Bord!»
Bolitho erschauerte unter seinem Mantel. Die Justice stank nach menschlichem Zerfall, nach Verwesung.
7
Justice = Gerechtigkeit