Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander (читать книги txt) 📗
Dahinter war von Teppichen und bequemen Mobeln keine Rede mehr. Eine lange, zinnenbewehrte Bastion mit schwerer Artillerie hinter den Schie?scharten gab den Blick auf den Hafen frei: Rivers' Trumpfkarte.
Er marschierte zur letzten Kanone in der Reihe und legte wie liebkosend die Hand auf ihr verziertes Verschlu?stuck.
«Hier, werfen Sie mal einen Blick hinunter, Bolitho.»
Er trat beiseite, voll Stolz und Siegessicherheit. Bolitho spurte plotzlich eine heftige Abneigung gegen diesen Mann, dem das Schicksal Duncans und aller anderen vollig einerlei war.
Er buckte sich, visierte an dem langen schwarzen Rohr entlang und sah, da? die Kanone auf eine Reihe Festmacherbojen zielte, an deren einer auch seine Barkasse vertaut war. Er erkannte sogar Allday, der im Boot stand und die Augen beschattete, um besser zur Festung spahen zu konnen.
Aalglatt fuhr Rivers fort:»Da unten lag auch die Sparrowhawk. Ich hatte sie genauso leicht versenken konnen wie Ihr Boot.»
Bolitho richtete sich wieder auf und musterte Rivers kuhl.»Sie waren selbst einmal Flaggoffizier, Sir Humphrey. Sie wissen, die Marine wurde niemals dulden, da?.»
Rivers grunzte verachtlich.»Sie hatte gar keine andere Wahl. Hohe Verluste, nur um den Franzosen gefallig zu sein? Nicht einmal das Parlament ist so verblendet.»
Bolitho warf noch einen letzten Blick uber die Reede. Das Wasser war unruhig, die Wellen trugen schon wei?e Gischtkamme. Der Wind legte immer noch zu, was sich auch an den steif auswehenden Flaggen der Schiffe unten verriet. Aber die lagen hier geschutzt. Achates nicht.
Er sagte:»Ich kehre auf mein Schiff zuruck. «Und fugte hinzu, ohne aus seiner Verachtung ein Hehl zu machen:»Es sei denn, Sie wollten mich daran hindern?»
«Ohne Vereinbarung, Bolitho?»
«Treiben Sie nicht Ihr Spiel mit mir, Sir Humphrey. Sie mu?ten wissen, da? ich Hochverrat verabscheue.»
Rivers lachelte.»Im Gegensatz zu anderen in Ihrer Familie, wie?»
Bolitho nahm seinen Hut aus der Hand eines Lakais, langsam, damit sein Zorn verebben konnte. Eige ntlich ganz gut, da? Adam nicht zugegen war, dachte er. Diese Beleidigung seines Vaters hatte ihn zur Waffe greifen lassen, und dann hatten Rivers' Soldaten die Sache auf der Stelle zu einem schrecklichen Ende gebracht.
So sagte er nur:»Das war billig, aber nicht uberraschend.»
Rivers nahm wieder Platz und wischte sich das Gesicht. Er vermochte seine freudige Erregung uber den Sieg nicht zu verbergen.
Bolitho ging zur Tur und sah Midshipman Evans im Korridor allein an einem offenen Fenster stehen.
Rivers rief Bolitho nach:»Ich habe mir erlaubt, Ihren kleinen Leutnant festzusetzen, bis mein Boot und meine Leute unbehelligt zuruckkehren.»
Bolitho nickte langsam.»Wie Sie meinen.»
Das schien Rivers zu enttauschen.»Sie konnen es sich immer noch anders uberlegen.»
Bolitho winkte Evans heran.»Wie Sie selbst sagten, wimmelt es in dieser Gegend von Piraten. Mit einem von ihnen habe ich wohl soeben gesprochen.»
Damit wandte er sich abrupt um und schritt durch den Gang davon, halb in Erwartung einer Kugel oder eines anderen plotzlichen Angriffs.
Evans mu?te rennen, um ihn einzuholen.
«Rufen Sie die Barkasse heran«, befahl Bolitho knapp.
Hei? strich der Wind uber sein Gesicht, verstarkte noch die Drohung des bleigrauen Himmels. Es mu?te auf Anhieb klappen, dachte Bolitho. Denn es gab weder einen zweiten Versuch noch eine andere
Wahl.
Erleichtert sah Allday zu, als Bolitho und der Kadett ins Boot stiegen.»Das war's dann, Sir«, murmelte er.
Bolitho sagte, den Blick auf die eintauchenden Riemen gerichtet:»Keine Hast, wenn ich bitten darf. «In seinem Kopf uberschlugen sich die Gedanken an das Bevorstehende, aber Rivers durfte keinesfalls argwohnisch werden.
In seiner Achterkajute warf er Ozzard den goldbetre?ten Admirals-rock zu und blickte Keen, Quantock und den beiden Offizieren der Marine-Infanterie entgegen, die Yovell hereinfuhrte.
«Wir greifen an, Kapitan Keen. «Bolitho wunderte sich fast, da? das Weinglas in seiner Hand, das Ozzard ihm gerade gereicht hatte, unter seinem Griff nicht zersplitterte.
Keen antwortete:»Mr. Knocker ist um die Sicherheit des Schiffs hier sehr besorgt, Sir. Der Wind.»
«Behalt die Richtung bei?»
«Er wird von Stunde zu Stunde starker, Sir«, sagte Quantock mit seiner heiseren Stimme.
«Das habe ich nicht gefragt. Behalt er die Richtung bei?«»Aye, Sir. «Keen schien nervos.
«Also gut. Machen Sie klar zum Ankerlichten. «Keens offensichtliche Erleichterung schwand, als Bolitho hinzufugte:»Dann werden Rivers' Spaher vermuten, da? wir uns davonmachen.»
«Mit allem Respekt, Sir, aber das erfordert schon die Vernunft. Wenn wir hierbleiben, wird der Anker mit Sicherheit schlieren.»
Bolitho lachelte ihm zu.»Erinnern Sie sich an Kopenhagen, Val?»
Keen nickte, aber er war bla? geworden.»Gewi?, Sir. Also wollen Sie bei Dunkelheit angreifen?«Das klang unglaubig.
«Das will ich. Ich wei? jetzt, wie die Batterie die Hafeneinfahrt und die Reede bestreichen kann. Rivers war so freundlich, es mir zu zeigen, wenn auch aus anderen Motiven.»
Was ging nur in ihm vor? Sein Plan konnte mit einer Katastrophe enden; wurde es wahrscheinlich auch. Er hatte Keen an Kopenhagen erinnert, aber das lie? sich nicht vergleichen. Damals hatten sie eine ganze Flotte gehabt — und Nelson.
Diesmal lag die Sache vollig anders. Wenn er das Schiff verlor, blieb ihm nichts mehr, hochstens ein Kriegsgerichtsverfahren, falls er uberlebte; und das Bewu?tsein, Belinda ins Ungluck gesto?en zu haben.
Aber trotz des hohen Risikos fuhlte er sich seltsam beschwingt. Wie Eiswasser pulsierte eine wilde Entschlossenheit durch seine Adern.
Keen rausperte sich und warf den Kameraden einen Blick zu.»Also gut, Sir«, sagte er.
Bolitho wandte den Blick ab. Keen hatte seine Entscheidung akzeptiert. Mochte er sie nun billigen oder fur falsch halten, auf jeden Fall wurde er sie befolgen, auch unter Einsatz seines Lebens.
Bolitho zwang sich zu einem Lacheln.»Nach Sonnenuntergang schicken wir Masters mit seiner Yawl in den Hafen, im Austausch gegen Mr. Trevenen. «Er sah die beiden Seesoldaten an.»Und dann sind Sie an der Reihe.»
Alles hing vom richtigen Zeitpunkt ab — und vom Gluck, wie Herrick nicht vergessen hatte anzumerken. Keen hielt seinen Plan wohl fur Wahnsinn oder fur ein Produkt verletzter Eitelkeit nach der Demutigung durch Sir Humphrey Rivers.
Das war ihre einzige Chance: da? Rivers sich angesichts seiner starken Stellung fur unangreifbar hielt.
Wahrscheinlich stand er gerade in diesem Augenblick auf der Bastion und malte sich genie?erisch den Widerstreit und die Verzweiflung aus, in die er seinen Gegner gesturzt hatte.
Mit knappen Worten skizzierte Bolitho seinen Angriffsplan und beobachtete ihre unterschiedlichen Reaktionen, ihre Skepsis und Unsicherheit. Aber auch ihre Erregung. Selbst Quantock, der kaum sprach, schien fasziniert zu sein.
Bolitho schlo? mit den Worten:»Wie Sie alle wissen, meine Herren, ist ein Krieg hart und schwer fur alle. Aber allzuleicht ist es, ihn vom Zaun zu brechen.»
Einer hinter dem anderen verlie?en sie die Kajute, um ihre Untergebenen zu instruieren, und Bolitho setzte sich an seinen Schreibtisch. Er griff zur Feder.
Spater mochte es ihm an der Zeit fehlen, und er wollte sie an seinen Uberlegungen teilhaben lassen, genauso wie sie ihm ihre besten Wunsche nachgesandt hatte.
An Deck polterten Schritte und quietschten Taljen, als seine Barkasse wieder eingesetzt wurde.
Und wenn er sich nun irrte? Wenn Rivers' Uberzeugung von der Unangreifbarkeit seiner Insel sich als richtig erwies?
Aber er verbot sich die Zweifel und begann zu schreiben.
Meine geliebte Belinda…
Doch dann faltete er entschlossen den leeren Bogen zusammen und schob ihn in eine Schublade. Wenn er fiel, wurde sie es fruh genug erfahren. Es hatte keinen Sinn, sie mit einem Brief in Angst und Schrecken zu versetzen, der sie vielleicht erst erreichte, wenn alles voruber war.