Iphigenie auf Tauris - Goethe Johann Wolfgang (книги бесплатно без онлайн .txt) 📗
Auf einen Augenblick entferne; noch
Verspricht er auf den Fall, den er nicht hofft:
Dann fuhlt er erst die Hohe seiner Wurde,
Wenn er den Harrenden beglucken kann.
Thoas:
Unwillig, wie sich Feuer gegen Wasser
Im Kampfe wehrt und gischend seinen Feind
Zu tilgen sucht, so wehret sich der Zorn
In meinem Busen gegen deine Worte.
Iphigenie:
O la? die Gnade wie das heil'ge Licht
Der stillen Opferflamme mir, umkranzt
Von Lobgesang und Dank und Freude, lodern.
Thoas:
Wie oft besanftigte mich diese Stimme!
Iphigenie:
O reiche mir die Hand zum Friedenszeichen!
Thoas:
Du forderst viel in einer kurzen Zeit.
Iphigenie:
Um Guts zu tun, braucht's keiner Uberlegung.
Thoas:
Sehr viel! denn auch dem Guten folgt das Ubel.
Iphigenie:
Der Zweifel ist's, der Gutes bose macht.
Bedenke nicht; gewahre, wie du's fuhlst.
Vierter Auftritt
Orest, gewaffnet. Die Vorigen.
Orest nach der Szene gekehrt:
Verdoppelt eure Krafte! Haltet sie
Zuruck! Nur wenig Augenblicke! Weicht
Der Menge nicht und deckt den Weg zum Schiffe
Mir und der Schwester!
Zu Iphigenien, ohne den Konig zu sehen:
Komm, wir sind verraten.
Geringer Raum bleibt uns zur Flucht. Geschwind!
Er erblickt den Konig.
Thoas nach dem Schwerte greifend:
In meiner Gegenwart fuhrt ungestraft
Kein Mann das nackte Schwert.
Iphigenie:
Entheiliget
Der Gottin Wohnung nicht durch Wut und Mord!
Gebietet eurem Volke Stillstand, horet
Die Priesterin, die Schwester!
Orest:
Sage mir!
Wer ist es, der uns droht?
Iphigenie:
Verehr in ihm
Den Konig, der mein zweiter Vater ward!
Verzeih mir, Bruder! doch mein kindlich Herz
Hat unser ganz Geschick in seine Hand
Gelegt. Gestanden hab ich euern Anschlag
Und meine Seele vom Verrat gerettet.
Orest:
Will er die Ruckkehr friedlich uns gewahren?
Iphigenie:
Dein blinkend Schwert verbietet mir die Antwort.
Orest, der das Schwert einsteckt:
So sprich! Du siehst, ich horche deinen Worten.
Funfter Auftritt
Die Vorigen. Pylades. Bald nach ihm Arkas. Beide mit blo?en Schwertern.
Pylades:
Verweilet nicht! Die letzten Krafte raffen
Die Unsrigen zusammen; weichend werden
Sie nach der See langsam zuruckgedrangt.
Welch ein Gesprach der Fursten find ich hier!
Dies ist des Koniges verehrtes Haupt!
Arkas:
Gelassen, wie es dir, o Konig, ziemt,
Stehst du den Feinden gegenuber. Gleich
Ist die Verwegenheit bestraft; es weicht
Und fallt ihr Anhang, und ihr Schiff ist unser.
Ein Wort von dir, so steht's in Flammen.
Thoas:
Geh!
Gebiete Stillstand meinem Volke! Keiner
Beschadige den Feind, solang wir reden.
Arkas ab.
Orest:
Ich nehm es an. Geh, sammle, treuer Freund,
Den Rest des Volkes; harret still, welch Ende
Die Gotter unsern Taten zubereiten
Pylades ab.
Sechster Auftritt
Iphigenie. Thoas. Orest.
Iphigenie:
Befreit von Sorge mich, eh ihr zu sprechen
Beginnet. Ich befurchte bosen Zwist,
Wenn du, o Konig, nicht der Billigkeit
Gelinde Stimme horest; du, mein Bruder,
Der raschen Jugend nicht gebieten willst.
Thoas:
Ich halte meinen Zorn, wie es dem Altern
Geziemt, zuruck. Antworte mir! Womit
Bezeugst du, da? du Agamemnons Sohn
Und dieser Bruder bist?
Orest:
Hier ist das Schwert,
Mit dem er Trojas tapfre Manner schlug.
Dies nahm ich seinem Morder ab und bat
Die Himmlischen, den Mut und Arm, das Gluck
Des gro?en Koniges mir zu verleihn
Und einen schonern Tod mir zu gewahren.
Wahl einen aus den Edeln deines Heers
Und stelle mir den Besten gegenuber!
So weit die Erde Heldensohne nahrt,
Ist keinem Fremdling dies Gesuch verweigert.
Thoas:
Dies Vorrecht hat die alte Sitte nie
Dem Fremden hier gestattet.
Orest:
So beginne
Die neue Sitte denn von dir und mir!
Nachahmend heiliget ein ganzes Volk
Die edle Tat der Herrscher zum Gesetz.
Und la? mich nicht allein fur unsre Freiheit,
La? mich, den Fremden, fur die Fremden kampfen!
Fall ich, so ist ihr Urteil mit dem meinen
Gesprochen; aber gonnet mir das Gluck
Zu uberwinden, so betrete nie
Ein Mann dies Ufer, dem der schnelle Blick
Hulfreicher Liebe nicht begegnet, und
Getrostet scheide jeglicher hinweg!
Thoas:
Nicht unwert scheinest du, o Jungling, mir
Der Ahnherrn, deren du dich ruhmst, zu sein.
Gro? ist die Zahl der edeln, tapfern Manner,
Die mich begleiten; dich ich stehe selbst
In meinen Jahren noch dem Feinde, bin
Bereit, mit dir der Waffen Los zu wagen.
Iphigenie:
Mitnichten! Dieses blutigen Beweises
Bedarf es nicht, o Konig! La?t die Hand
Vom Schwerte! Denkt an mich und mein Geschick.
Der rasche Kampf verewigt einen Mann:
Er falle gleich, so preiset ihn das Lied.
Allein die Tranen, die unendlichen,
Der uberbliebnen, der verla?nen Frau
Zahlt keine Nachwelt, und der Dichter schweigt
Von tausend durchgeweinten Tag' und Nachten,
Wo eine stille Seele den verlornen,
Rasch abgeschiednen Freund vergebens sich
Zuruckzurufen bangt und sich verzehrt.
Mich selbst hat eine Sorge gleich gewarnt,
Da? der Betrug nicht eines Raubers mich
Vom sichern Schutzort rei?e, mich der Knechtschaft
Verrate. Flei?ig hab ich sie befragt,
Nach jedem Umstand mich erkundigt, Zeichen
Gefordert, und gewi? ist nun mein Herz.
Sieh hier an seiner rechten Hand das Mal
Wie von drei Sternen, das am Tage schon,
Da er geboren ward, sich zeigte, das
Auf schwere Tat, mit dieser Faust zu uben,
Der Priester deutete. Dann uberzeugt
Mich doppelt diese Schramme, die ihm hier
Die Augenbraune spaltet. Als ein Kind
Lie? ihn Elektra, rasch und unvorsichtig
Nach ihrer Art, aus ihren Armen sturzen.
Er schlug auf einen Dreifu? auf — Er ist's —
Soll ich dir noch die Ahnlichkeit des Vaters,
Soll ich das innre Jauchzen meines Herzens
Dir auch als Zeugen der Versichrung nennen?
Thoas:
Und hube deine Rede jeden Zweifel
Und bandigt ich den Zorn in meiner Brust.
So wurden doch die Waffen zwischen uns
Entscheiden mussen; Frieden seh ich nicht.
Sie sind gekommen, du bekennest selbst,
Das heil'ge Bild der Gottin mir zu rauben.
Glaubt ihr, ich sehe dies gelassen an?
Der Grieche wendet oft sein lustern Auge
Den fernen Schatzen der Barbaren zu,
Dem goldnen Felle, Pferden, schonen Tochtern;
Doch fuhrte sie Gewalt und List nicht immer
Mit den erlangten Gutern glucklich heim.
Orest:
Das Bild, o Konig, soll uns nicht entzweien!
Jetzt kennen wir den Irrtum, den ein Gott
Wie einen Schleier um das Haupt uns legte,
Da er den Weg hierher uns wandern hie?.
Um Rat und um Befreiung bat ich ihn
Von dem Geleit der Furien; er sprach:
«Bringst du die Schwester, die an Tauris' Ufer
Im Heiligtume wider Willen bleibt,
Nach Griechenland, so loset sich der Fluch.»
Wir legten's von Apollens Schwester aus,
Und er gedachte dich! Die strengen Bande
Sind nun gelost; du bist den Deinen wieder,
Du Heilige, geschenkt. Von dir beruhrt,
War ich geheilt; in deinen Armen fa?te
Das Ubel mich mit allen seinen Klauen
Zum letztenmal und schuttelte das Mark
Entsetzlich mir zusammen; dann entfloh's
Wie eine Schlange zu der Hohle. Neu
Genie? ich nun durch dich das weite Licht
Des Tages. Schon und herrlich zeigt sich mir
Der Gottin Rat. Gleich einem heil'gen Bilde,
Daran der Stadt unwandelbar Geschick
Durch ein geheimes Gotterwort gebannt ist,
Nahm sie dich weg, dich Schutzerin des Hauses;
Bewahrte dich in einer heil'gen Stille
Zum Segen deines Bruders und der Deinen.
Da alle Rettung auf der weiten Erde
Verloren schien, gibst du uns alles wieder.
La? deine Seele sich zum Frieden wenden,
O Konig! Hindre nicht, da? sie die Weihe
Des vaterlichen Hauses nun vollbringe,
Mich der entsuhnten Halle wiedergebe,
Mir auf das Haupt die alte Krone drucke!
Vergilt den Segen, den sie dir gebracht,
Und la? des nahern Rechtes mich genie?en!
Gewalt und List, der Manner hochster Ruhm,
Wird durch die Wahrheit dieser hohen Seele
Beschamt, und reines, kindliches Vertrauen
Zu einem edeln Manne wird belohnt.
Iphigenie:
Denk an dein Wort, und la? durch diese Rede
Aus einem graden, treuen Munde dich
Bewegen! Sieh uns an! Du hast nicht oft
Zu solcher edeln Tat Gelegenheit.
Versagen kannst du's nicht; gewahr es bald!
Thoas:
So geht!
Iphigenie:
Nicht so, mein Konig! Ohne Segen,
In Widerwillen scheid ich nicht von dir.
Verbann uns nicht! Ein freundlich Gastrecht walte
Von dir zu uns: so sind wir nicht auf ewig
Getrennt und abgeschieden. Wert und teuer,
Wie mir mein Vater war, so bist du's mir,
Und dieser Eindruck bleibt in meiner Seele.
Bringt der Geringste deines Volkes je
Den Ton der Stimme mir ins Ohr zuruck,
Den ich an euch gewohnt zu horen bin,
Und seh ich an dem Armsten eure Tracht:
Empfangen will ich ihn wie einen Gott,
Ich will ihm selbst ein Lager zubereiten,
Auf einen Stuhl ihn an das Feuer laden
Und nur nach dir und deinem Schicksal fragen.
O geben dir die Gotter deiner Taten
Und deiner Milde wohlverdienten Lohn!
Leb wohl! O wende dich zu uns und gib
Ein holdes Wort des Abschieds mir zuruck!
Dann schwellt der Wind die Segel sanfter an,
Und Tranen flie?en lindernder vom Auge
Des Scheidenden. Leb wohl! und reiche mir
Zum Pfand der alten Freundschaft deine Rechte.
Thoas:
Lebt wohl!