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Nicht zu weit - Goethe Johann Wolfgang (книги бесплатно .TXT) 📗

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Название:
Nicht zu weit
Дата добавления:
17 март 2020
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93
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Nicht zu weit - Goethe Johann Wolfgang (книги бесплатно .TXT) 📗
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Nicht zu weit - Goethe Johann Wolfgang (книги бесплатно .TXT) 📗 краткое содержание

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Erz?hlung aus Wilhelm Meisters Wanderjahre (1829).

Nicht zu weit читать онлайн бесплатно

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Es schlug zehn in der Nacht, und so war denn zur verabredeten Stunde alles bereit: im bekranzten Salchen zu vieren eine geraumige, artige Tafel gedeckt, mit feinem Nachtisch und Zuckerzierlichkeiten zwischen blinkenden Leuchtern und Blumen bestellt. Wie freuten sich die Kinder auf diese Nachkost, denn sie sollten mit zu Tische sitzen; indessen schlichen sie umher, geputzt und maskiert, und weil Kinder nicht zu entstellen sind, erscheinen sie als die niedlichsten Zwillingsgenien. Der Vater berief sie zu sich, und sie sagten das Festgesprach, zu ihrer Mutter Geburtstag gedichtet, bei weniger Nachhulfe gar schicklich her.

Die Zeit verstrich, von Viertel- zu Viertelstunde enthielt die gute Alte sich nicht, des Freundes Ungeduld zu vermehren. Mehrere Lampen, sagte sie, seien auf der Treppe dem Erloschen ganz nahe, ausgesuchte Lieblingsspeisen der Gefeierten konnten ubergar werden, so sei es zu befurchten. Die Kinder aus Langerweile fingen erst unartig an, und aus Ungeduld wurden sie unertraglich. Der Vater nahm sich zusammen, und doch wollte die ungewohnte Gelassenheit ihm nicht zu Gebote stehen; er horchte sehnsuchtig auf die Wagen, einige rasselten unaufgehalten vorbei, ein gewisses Argernis wollte sich regen. Zum Zeitvertreib forderte er noch eine Repetition von den Kindern; diese, im Uberdru? unachtsam, zerstreut und ungeschickt, sprachen falsch, keine Gebarde war mehr richtig, sie ubertrieben wie Schauspieler, die nichts empfinden. Die Pein des guten Mannes wuchs mit jedem Momente, halb eilf Uhr war voruber; das Weitere zu schildern, uberlassen wir ihm selbst.

«Die Glocke schlug eilfe, meine Ungeduld war bis zur Verzweiflung gesteigert, ich hoffte nicht mehr, ich furchtete. Nun war mir bange, sie mochte hereintreten, mit ihrer gewohnlichen leichten Anmut sich fluchtig entschuldigen, versichern, da? sie sehr mude sei, und sich betragen, als wurfe sie mir vor, ich beschranke ihre Freuden. In mir kehrte sich alles um und um, und gar vieles, was ich Jahre her geduldet, lastete wiederkehrend auf meinem Geiste. Ich fing an, sie zu hassen, ich wu?te kein Betragen zu denken, wie ich sie empfangen sollte. Die guten Kinder, wie Engelchen herausgeputzt, schliefen ruhig auf dem Sofa. Unter meinen Fu?en brannte der Boden, ich begriff, ich verstand mich nicht, und mir blieb nichts ubrig als zu fliehen, bis nur die nachsten Augenblicke uberstanden waren. Ich eilte, leicht und festlich angezogen wie ich war, nach der Hausture. Ich wei? nicht, was ich der guten Alten fur einen Vorwand hinstotterte, sie drang mir einen Uberrock zu, und ich fand mich auf der Stra?e in einem Zustande, den ich seit langen Jahren nicht empfunden hatte. Gleich dem jungsten leidenschaftlichen Menschen, der nicht wo ein noch aus wei?, rannt' ich die Gassen hin und wider. Ich hatte das freie Feld gewonnen, aber ein kalter, feuchter Wind blies streng und widerwartig genug, um meinen Verdru? zu begrenzen.»

Wir haben, wie an dieser Stelle auffallend zu bemerken ist, die Rechte des epischen Dichters uns anma?end, einen geneigten Leser nur allzu schnell in die Mitte leidenschaftlicher Darstellung gerissen. Wir sehen einen bedeutenden Mann in hauslicher Verwirrung, ohne von ihm etwas weiter erfahren zu haben; deshalb wir denn fur den Augenblick, um nur einigerma?en den Zustand aufzuklaren, uns zu der guten Alten gesellen, horchend, was sie allenfalls vor sich hin, bewegt und verlegen, leise murmeln oder laut ausrufen mochte.

«Ich hab' es langst gedacht, ich habe es vorausgesagt, ich habe die gnadige Frau nicht geschont, sie ofter gewarnt, aber es ist starker wie sie. Wenn der Herr sich des Tags auf der Kanzlei, in der Stadt, auf dem Lande in Geschaften abmudet, so findet er abends ein leeres Haus, oder Gesellschaft, die ihm nicht zusagt. Sie kann es nicht lassen. Wenn sie nicht immer Menschen, Manner um sich sieht, wenn sie nicht hin und wider fahrt, sich an- und aus- und umziehen kann, ist es, als wenn ihr der Atem ausginge. Heute an ihrem Geburtstag fahrt sie fruh aufs Land. Gut! wir machen indes hier alles zurecht; sie verspricht heilig, um neun Uhr zu Hause zu sein; wir sind bereit. Der Herr uberhort die Kinder ein auswendig gelerntes artiges Gedicht, sie sind herausgeputzt; Lampen und Lichter, Gesottenes und Gebratenes, an gar nichts fehlt es, aber sie kommt nicht. Der Herr hat viel Gewalt uber sich, er verbirgt seine Ungeduld, sie bricht aus. Er entfernt sich aus dem Hause so spat. Warum, ist offenbar; aber wohin? Ich habe ihr oft mit Nebenbuhlerinnen gedroht, ehrlich und redlich. Bisher hab' ich am Herrn nichts bemerkt; eine Schone pa?t ihm langst auf, bemuht sich um ihn. Wer wei?, wie er bisher gekampft hat. Nun bricht's los, diesmal treibt ihn die Verzweiflung, seinen guten Willen nicht besser anerkannt zu sehen, bei Nacht aus dem Hause, da geb' ich alles verloren. Ich sagt' es ihr mehr als einmal, sie solle es nicht zu weit treiben.»

Suchen wir den Freund nun wieder auf und horen ihn selber.

«In dem angesehensten Gasthofe sah ich unten Licht, klopfte am Fenster und fragte den herausschauenden Kellner mit bekannter Stimme: ob nicht Fremde angekommen oder angemeldet seien? Schon hatte er das Tor geoffnet, verneinte beides und bat mich hereinzutreten. Ich fand es meiner Lage gema?, das Marchen fortzusetzen, ersuchte ihn um ein Zimmer, das er mir gleich im zweiten Stock einraumte; der erste sollte, wie er meinte, fur die erwarteten Fremden bleiben. Er eilte, einiges zu veranstalten, ich lie? es geschehen und verburgte mich fur die Zeche. So weit war's voruber; ich aber fiel wieder in meine Schmerzen zuruck, vergegenwartigte mir alles und jedes, erhohte und milderte, schalt mich und suchte mich zu fassen, zu besanftigen: lie?e sich doch morgen fruh alles wieder einleiten; ich dachte mir schon den Tag abermals im gewohnten Gange; dann aber kampfte sich aufs neue der Verdru? unbandig hervor: ich hatte nie geglaubt, da? ich so unglucklich sein konne.»

An dem edlen Manne, den wir hier so unerwartet uber einen gering scheinenden Vorfall in leidenschaftlicher Bewegung sehen, haben unsere Leser gewi? schon in dem Grade teilgenommen, da? sie nahere Nachricht von seinen Verhaltnissen zu erfahren wunschen. Wir benutzen die Pause, die hier in das nachtliche Abenteuer eintritt, indem er stumm und heftig in dem Zimmer auf und ab zu gehen fortfahrt.

Wir lernen Odoard als den Spro?ling eines alten Hauses kennen, auf welchen durch eine Folge von Generationen die edelsten Vorzuge vererbt worden. In der Militarschule gebildet, ward ihm ein gewandter Anstand zu eigen, der, mit den loblichsten Fahigkeiten des Geistes verbunden, seinem Betragen eine ganz besondere Anmut verlieh. Ein kurzer Hofdienst lehrte ihn die au?ern Verhaltnisse hoher Personlichkeiten gar wohl einsehen, und als er nun hierauf, durch fruh erworbene Gunst einer gesandtschaftlichen Sendung angeschlossen, die Welt zu sehen und fremde Hofe zu kennen Gelegenheit hatte, so tat sich die Klarheit seiner Auffassung und gluckliches Gedachtnis des Vorgegangenen bis aufs genaueste, besonders aber ein guter Wille in Unternehmungen aller Art aufs baldigste hervor. Die Leichtigkeit des Ausdrucks in manchen Sprachen, bei einer freien und nicht aufdringlichen Personlichkeit, fuhrten ihn von einer Stufe zur andern; er hatte Gluck bei allen diplomatischen Sendungen, weil er das Wohlwollen der Menschen gewann und sich dadurch in den Vorteil setzte, Mi?helligkeiten zu schlichten, besonders auch die beiderseitigen Interessen bei gerechter Erwagung vorliegender Grunde zu befriedigen wu?te.

Einen so vorzuglichen Mann sich anzueignen, war der erste Minister bedacht; er verheiratete ihm seine Tochter, ein Frauenzimmer von der heitersten Schonheit und gewandt in allen hoheren geselligen Tugenden. Allein wie dem Laufe aller menschlichen Gluckseligkeit sich je einmal ein Damm entgegenstellt, der ihn irgendwo zuruckdrangt, so war es auch hier der Fall. An dem furstlichen Hofe wurde Prinzessin Sophronie als Mundel erzogen, sie, der letzte Zweig ihres Astes, deren Vermogen und Anforderungen, wenn auch Land und Leute an den Oheim zuruckfielen, noch immer bedeutend genug blieben, weshalb man sie denn, um weitlaufige Erorterungen zu vermeiden, an den Erbprinzen, der freilich viel junger war, zu verheiraten wunschte.

Odoard kam in Verdacht einer Neigung zu ihr, man fand, er habe sie in einem Gedichte unter dem Namen Aurora allzu leidenschaftlich gefeiert; hiezu gesellte sich eine Unvorsichtigkeit von ihrer Seite, indem sie mit eigner Charakterstarke gewissen Neckereien ihrer Gespielinnen trotzig entgegnete: sie mu?te keine Augen haben, wenn sie fur solche Vorzuge blind sein sollte.

Durch seine Heirat wurde nun wohl ein solcher Verdacht beschwichtigt, aber durch heimliche Gegner dennoch im stillen fortgenahrt und gelegentlich wieder aufgeregt.

Die Staats- und Erbschaftsverhaltnisse, ob man sie gleich so wenig als moglich zu beruhren suchte, kamen doch manchmal zur Sprache. Der Furst nicht sowohl als kluge Rate hielten es durchaus fur nutzlich, die Angelegenheit fernerhin ruhen zu lassen, wahrend die stillen Anhanger der Prinzessin sie abgetan und dadurch die edle Dame in gro?erer Freiheit zu sehen wunschten, besonders da der benachbarte alte Konig, Sophronien verwandt und gunstig, noch am Leben sei und sich zu vaterlicher Einwirkung gelegentlich bereit erwiesen habe.

Odoard kam in Verdacht, bei einer blo? zeremoniellen Sendung dorthin das Geschaft, das man verspaten wollte, wieder in Anregung gebracht zu haben. Die Widersacher bedienten sich dieses Vorfalls, und der Schwiegervater, den er von seiner Unschuld uberzeugt hatte, mu?te seinen ganzen Einflu? anwenden, um ihm eine Art von Statthalterschaft in einer entfernten Provinz zu erwirken. Er fand sich glucklich daselbst, alle seine Krafte konnte er in Tatigkeit setzen, es war Notwendiges, Nutzliches, Gutes, Schones, Gro?es zu tun, er konnte Dauerndes leisten, ohne sich aufzuopfern, anstatt da? man in jenen Verhaltnissen, gegen seine Uberzeugung sich mit Vorubergehendem beschaftigend, gelegentlich selbst zugrunde geht.

Nicht so empfand es seine Gattin, welche nur in gro?ern Zirkeln ihre Existenz fand und ihm nur spater notgedrungen folgte. Er betrug sich so schonend als moglich gegen sie und begunstigte alle Surrogate ihrer bisherigen Gluckseligkeit, des Sommers Landpartien in der Nachbarschaft, im Winter ein Liebhabertheater, Balle und was sie sonst einzuleiten beliebte. Ja er duldete einen Hausfreund, einen Fremden, der sich seit einiger Zeit eingefuhrt hatte, ob er ihm gleich keineswegs gefiel, da er ihm durchaus, bei seinem klaren Blick auf Menschen, eine gewisse Falschheit anzusehen glaubte.

Von allem diesem, was wir aussprechen, mag in dem gegenwartigen bedenklichen Augenblick einiges dunkel und trube, ein anderes klar und deutlich ihm vor der Seele vorubergangen sein. Genug, wenn wir nach dieser vertraulichen Eroffnung, zu der Friedrichs gutes Gedachtnis den Stoff mitgeteilt, uns abermals zu ihm wenden, so finden wir ihn wieder in dem Zimmer heftig auf und ab gehend, durch Gebarden und manche Ausrufungen einen innern Kampf offenbarend.

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