Harry Potter und der Stein der Weisen - Fritz Klaus (бесплатная библиотека электронных книг .txt) 📗
Sie waren vor einem schneewei?en Haus angelangt, das hoch uber die kleinen Laden hinausragte. Neben dem blank polierten Bronzetor, in einer scharlachroten und goldbestickten Uniform stand ein -
»Tja, das ist ein Kobold«, sagte Hagrid leise, als sie die steinernen Stufen zu ihm hochstiegen. Der Kobold war etwa einen Kopf kleiner als Harry. Er hatte ein dunkelhautiges, kluges Gesicht, einen Spitzbart und, wie Harry auffiel, sehr lange Finger und gro?e Fu?e. Mit einer Verbeugung wies er sie hinein. Wieder standen sie vor einer Doppeltur, einer silbernen diesmal, in die folgende Worte eingraviert waren: Fremder, komm du nur herein, Hab Acht jedoch und blau's dir ein, Wer der Sunde Gier will dienen, Und will nehmen, mocht verdienen, Der wird voller Pein verlieren. Wenn du suchst in diesen Hallen Einen Schatz, dem du verfallen, Dieb, sei gewarnt und sage dir, Mehr als Gold harrt deiner hier.
»Wie ich gesagt hab, du mu?t verruckt sein, wenn du den Laden knacken willst«, sagte Hagrid.
Ein Paar Kobolde verbeugte sich, als sie durch die silberne Tur in eine riesige Marmorhalle schnitten. Um die hundert Kobolde sa?en auf hohen Schemeln hinter einem langen Schalter, kritzelten Zahlen in gro?e Folianten, wogen auf Messingwaagen Munzen ab und pruften Edelsteine mit unter die Brauen geklemmten Uhrmacherlupen. Unzahlige Turen fuhrten in anschlie?ende Raume, und andere Kobolde geleiteten Leute herein und hinaus. Hagrid und Harry traten vor den Schalter.
»Moin«, sagte Hagrid. »Wir sind hier, um ein wenig Geld aus Mr. Harry Potters Safe zu entnehmen.«
»Sie haben seinen Schlussel, Sir?«, fragte der Kobold.
»Hab ihn hier irgendwo«, sagte Hagrid und begann seine Taschen zu entleeren und ihren Inhalt auf dem Schalter auszubreiten, wobei er eine Hand voll krumeliger Hundekuchen uber das Kassenbuch des Kobolds verstreute. Dieser rumpfte die Nase. Harry sah dem Kobold zu ihrer Rechten dabei zu, wie er einen Haufen Rubine wog, die so gro? waren wie Eierkohlen.
»Hab ihn«, sagte Hagrid endlich und hielt dem Kobold einen kleinen goldenen Schlussel vor die Nase.
Der Kobold nahm ihn genau in Augenschein.
»Das scheint in Ordnung zu sein.«
»Und ich habe au?erdem einen Brief von Professor Dumbledore«, sagte Hagrid, sich mit gewichtiger Miene in die Brust werfend. »Es geht um den Du-wei?t-schon-was in Verlies siebenhundertundneunzehn.«
Der Kobold las den Brief sorgfaltig durch.
»Sehr gut«, sagte er und gab ihn Hagrid zuruck. »Ich werde veranlassen, da? man Sie in beide Verliese fuhrt. Griphook!«
Auch Griphook war ein Kobold. Sobald Hagrid alle seine Hundekuchen in die Taschen zuruckgestopft hatte, folgten er und Harry Griphook zu einer der Turen, die aus der Halle hinausfuhrten.
»Was ist der Du-wei?t-schon-was in Verlies siebenhundertundneunzehn«, fragte Harry.
»Darf ich nicht sagen«, meinte Hagrid geheimnistuerisch. »Streng geheim. Hat mit Hogwarts zu tun. Dumbledore vertraut mir. Lohnt sich nicht, meinen Job zu riskieren und es dir zu sagen.«
Griphook hielt die Tur fur sie auf Harry, der noch mehr Marmor erwartet hatte, war uberrascht. Sie waren nun in einem engen, steinernen Gang, den lodernde Fackeln erleuchteten. In den Boden waren schmale Bahngeleise eingelassen, die steil in die Tiefe fuhrten. Griphook pfiff, und ein kleiner Karren kam auf den Schienen zu ihnen hochgezockelt. Sie kletterten hinauf und setzten sich – Hagrid mit einigen Schwierigkeiten – und schon ging es los.
Zuerst fuhren sie durch ein Gewirr sich uberkreuzender Gange. Harry versuchte sich den Weg zu merken, links, rechts, rechts, links, durch die Mitte, rechts, links – doch es war unmoglich. Der ratternde Karren schien zu wissen, wo es langging, denn es war nicht Griphook, der ihn steuerte.
Harrys Augen schmerzten in der kalten Luft, durch die sie sausten, doch er hielt sie weit geoffnet. Einmal meinte er am Ende eines Durchgangs einen Feuersto? zu erkennen und wandte sich rasch um, denn vielleicht war es ein Drache – aber zu spat. Sie drangen weiter in die Tiefe vor und passierten einen unterirdischen See, bei dem riesige Stalaktiten und Stalagmiten von der Decke und aus dem Boden wucherten.
»Ich kann mir nie merken«, rief Harry durch das larmende Rattern des Karrens Hagrid zu,»was der Unterschied zwischen Stalaktiten und Stalagmiten ist.«
»Stalagmiten haben ein ›m‹ in der Mitte«, sagte Hagrid. »Und jetzt keine Fragen mehr, mir ist schlecht.«
Er war ganz grun im Gesicht, und als die Karre endlich neben einer kleinen Tur in der Wand des unterirdischen Ganges hielt, stieg Hagrid aus und mu?te sich gegen die Wand lehnen, um seine zitternden Knie zu beruhigen.
Griphook schlo? die Tur auf Ein Schwall grunen Rauchs drang heraus, und als er sich verzogen hatte, stockte Harry der Atem. Im Innern lagen hugelweise Goldmunzen. Stapelweise Silbermunzen. Haufenweise kleine bronzene Knuts.
»Alles dein«, sagte Hagrid lachelnd.
Alles gehorte Harry – das war unglaublich. Die Dursleys konnten davon nichts gewu?t haben, oder sie hatten es ihm schneller abgenommen, als er blinzeln konnte. Wie oft hatten sie sich daruber beschwert, wie viel es sie kostete, fur Harry zu sorgen? Und die ganze Zeit uber war ein kleines Vermogen, das ihm gehorte, tief unter Londons Stra?en vergraben gewesen.
Hagrid half Harry dabei, einen Teil der Schatze in eine Tute zu packen.
»Die goldenen sind Galleonen«, erklarte er. »Siebzehn Silbersickel sind eine Galleone und neunundzwanzig Knuts sind eine Sickel. Nichts einfacher als das. Gut, das sollte fur ein paar Schuljahre reichen, wir bewahren den Rest fur dich auf,« Er wandte sich Griphook zu. »Verlies siebenhundertundneunzehn jetzt, bitte, und konnen wir etwas langsamer fahren?«
»Nur eine Geschwindigkeit«, sagte Griphook.
Sie fuhren nun noch tiefer hinunter und wurden allmahlich schneller. Wahrend sie durch scharfe Kurven rasten, wurde die Luft immer kalter. Sie ratterten uber eine unterirdische Schlucht hinweg, und Harry lehnte sich uber den Wagenrand, um zu sehen, was tief unten auf dem dunklen Grund war, doch Hagrid stohnte und zog ihn am Kragen zuruck.
Verlies siebenhundertundneunzehn hatte kein Schlusselloch.
»Zurucktreten«, sagte Griphook mit achtungheischender Stimme. Mit einem seiner langen Finger streichelte er sanft die Tur – die einfach wegschmolz.
»Sollte jemand dies versuchen, der kein Kobold von Gringotts ist, dann wird er durch die Tur gesogen und sitzt dort drin in der Falle«, sagte Griphook.
»Wie oft schaust du nach, ob jemand dort ist?«, fragte Harry.
»Einmal in zehn Jahren vielleicht«, sagte Griphook mit einem ziemlich gemeinen Grinsen.
In diesem Hochsicherheitsverlies mu?te etwas ganz Besonderes aufbewahrt sein, da war sich Harry sicher, und er steckte seine Nase begierig hinein, um zumindest ein paar sagenhafte Juwelen zu sehen – doch auf den ersten Blick schien alles leer. Dann bemerkte er auf dem Boden ein schmutziges, mit braunem Papier umwickeltes Packchen. Hagrid hob es auf und verstaute es irgendwo in den Tiefen seines Umhangs. Harry hatte zu gern gewu?t, was es war, aber ihm war klar, da? er besser nicht danach fragte.
»Los komm, zuruck auf diese Hollenkarre, und red auf dem Ruckweg nicht. Es ist besser, wenn ich den Mund geschlossen halte«, sagte Hagrid.
Nach einer weiteren haarstraubenden Fahrt auf dem Karren standen sie endlich wieder drau?en vor Gringotts und blinzelten in das Sonnenlicht. Nun, da Harry einen Sack voll Geld besa?, wu?te er nicht, wo er zuerst hinlaufen sollte. Er mu?te nicht wissen, wie viel Galleonen ein englisches Pfund ausmachten, um sich bewu?t zu sein, da? er noch nie im Leben so viel Geld besessen hatte – mehr Geld, als selbst Dudley jemals gehabt hatte.
»Konnten jetzt eigentlich mal deine Uniform kaufen«, sagte Hagrid und nickte zu Madam Malkins Anzuge fur alle Gelegenheiten hinuber. »Hor mal, Harry, wurd es dir was ausmachen, wenn ich mir einen kleinen Magenbitter im Tropfenden Kessel genehmige? Ich hasse die Fuhrwerke bei Gringotts.« Er sah immer noch etwas bleich aus. Und so betrat der ein wenig nervose Harry allein Madam Malkins Laden.