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Die geheime Reise der Mariposa - Michaelis Antonia (прочитать книгу TXT) 📗

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Sie a?en den Fisch schweigend, und Jose sah, wie Oskar sich an Jonathan drangte, der seinen durchweichten Verband gewechselt hatte. Der Pinguin sah Jose beinahe vorwurfsvoll an. Auch Carmen und Eduardo schienen von ihm abgeruckt zu sein. Es war, als hatte Jonathan sich mit der Tierwelt gegen ihn verschworen. Aber wieso kummerte es Jose eigentlich, was ein paar dumme Tiere dachten?

Sie teilten die Nacht in mehrere Wachen ein. Jose ubernahm die erste, wahrend Jonathan unten in der Kajute schlief. Die Sternbilder zogen uber Jose durch die samtene Schwarze, und die Abuelita murmelte vor sich hin, von Toten und Geistern, aber Jose horte ihr nicht zu. Er rollte die Gedanken in seinem Kopf hin und her und versuchte Ordnung hineinzubringen. Schlie?lich nahm er die Segel herunter und warf den Motor an. Er wollte nicht noch ein Ungluck riskieren, wenn Jonathan das Steuer ubernahm. Noch hatten sie genug Treibstoff. Noch. Als er in die Kajute hinunterstieg, lag Jonathan auf dem Rucken, den alten Teddybaren fest an die Brust gepresst wie ein Kind. Zu seinen Fu?en hatte sich der kleine Zoo der Mariposa versammelt.

»Wach auf«, sagte Jose, und seine Stimme klang rau. »Du bist dran mit Steuern.«

Jonathan blinzelte. »Woher wei?t du, dass ich die Mariposa nicht in die vollig falsche Richtung steuere?«, fragte er bitter. »Wenn du mir nicht mehr traust?«

Jose lie? sich auf die andere Bank fallen. »Steure sie, wohin du willst«, sagte er. »Ich bin zu mude, mich darum zu scheren.«

Das Nachste, woran er sich spater erinnerte, war der Geruch von Tabak. Er blieb einen Moment mit geschlossenen Augen liegen. Wie lange hatte er geschlafen? Der alte Motor drohnte noch immer ruhig und gleichma?ig und die Mariposa glitt sacht aufwarts und abwarts durch die nachtliche Dunung des Ozeans.

»Wach auf«, sagte jemand. Es war nicht Jonathan.

Lied des Albatros

Es schweigen die Saulenkakteen,

es schweigen Ebbe und Flut.

Es schweigen die Salzwasserseen

in senkrechter Mittagsglut.

Es schweigen die Balsambaume,

und hoch uber ihrem Duft

schwebe ich: Konig der Traume,

ich, der Konig der Luft.

Auf majestatischen Schwingen

gleite ich durch den Wind.

Ich kann die starksten Sturme bezwingen,

ich bin des Unwetters Kind.

Hier oben kann ich niemals fallen,

hier bin ich, was der Mensch an Land:

Hier bin ich zweifellos von allen

als Herrscher anerkannt.

Doch hore, Mensch, der du so klug,

die eine Sorge ist auch dein:

Die Landung nach dem Hohenflug

kann durchaus todlich sein.

Die geheime Reise der Mariposa - i_010.jpg

El secreto de Jonathan

Jonathans Geheimnis

Wach auf! Es ist Zeit, dass wir miteinander reden.«

Jose fuhr hoch, stie? sich den Kopf an einem der Vorratsregale und schnappte vor Schmerz nach Luft. Dann sah er sich um. Ihm gegenuber, auf der Backbordbank, sa? ein bartiger alter Mann in ziemlich dreckigen Kleidern. Jetzt nahm er eine Zigarette aus dem Mundwinkel und klopfte die Asche ab.

»Wer …?«, begann Jose.

Der Mann legte den Finger an die Lippen. »Leise!«, sagte er. »Besser, der Motor drau?en ubertont unsere Stimmen.«

»Wer sind Sie?«, flusterte Jose. »Was tun Sie hier?«

»Das sollte ich dich fragen«, antwortete der bartige Mann. »Das hier ist mein Schiff. Mein Name ist Juan. Juan Casaflora.«

Jose fuhlte, wie er von innen gefror. Sogar die Abuelita schwieg vor lauter Schreck.

»Sie sind … tot«, sagte Jose.

Casaflora lachelte und nickte langsam. »Ja. Ich bin tot. Ich war krank und ich bin an dieser Krankheit gestorben. Die Hollander haben meinen Leichnam uber Bord geworfen, als sie das Schiff fanden. Aber auch ein Toter verlasst sein Schiff nicht. Was tust du mit meiner Mariposa? Du ankerst zwischen den Felsen, obwohl du wei?t, dass es dort zu eng ist und dass der Wind drehen kann. Du vertraust das Steuer nachts einem an, der keinen Schimmer vom Segeln hat. Du springst einfach von Bord.« Er schuttelte den Kopf. »Wenn ich euch nicht geholfen hatte, hattet ihr die Mariposa schon ein paarmal verloren.«

»Das … ich … das tut mir leid«, stotterte Jose.

»So, das tut dir leid«, sagte Casaflora. »Dann wirst du sicher auf mich horen. Du wirst den Kurs andern. Du wirst drehen und zuruck nach Westen segeln. Nach Isabela.«

»Nach Isabela? Warum?« Jose fragte sich, ob er nur traumte. Das war die einzig logische Erklarung. Es gab keine Toten, die auf Schiffen herumspukten. Es konnte sie nicht geben … Oder doch? »Unser Ziel ist die Isla Maldita. Und dabei bleibt es.«

Der Alte lie? die Zigarette fallen, griff uber den Tisch und packte Jose am Kragen. Etwas sehr Kaltes druckte sich gegen seine Schlafe: die Mundung einer Waffe. Der kleinen schwarzen Pistole. Casafloras Zigarette gluhte auf dem Tisch weiter vor sich hin.

»Schade«, flusterte er. »Schade, dass du dein Gewehr nicht finden kannst, nicht wahr, mein Junge?«

Das Gewehr. Die Pistole. Jonathan hatte sie nicht. Der Griff an Joses Kragen schnurte ihm die Luft ab. »Sie … Sie sind gar nicht tot«, keuchte er.

»Vielleicht nicht«, zischte Casaflora. »Ansichtssache. Die Hollander, die das Schiff fanden, habe ich mit diesem kleinen Ding uberzeugt, anderer Ansicht zu sein.« Und er druckte den Lauf der Pistole etwas fester in Joses Haut.

»Weshalb?«, fragte Jose. Die Frage kam als heiseres, gequetschtes Flustern aus seiner Kehle.

»Es musste sein. Ich musste sterben. Sie waren hinter mir her. Wegen der Karte.«

»Aber ichhatte die Karte«, flusterte Jose, vollkommen verwirrt.

»Ja. Du bekommst sie wieder, sobald ich begreife, was darauf ist. Im Ubrigen lag ich wirklich eine Zeit lang krank hier herum. Irgendein seltsames Fieber.«

Casaflora wies mit dem Daumen hinter sich und endlich begriff Jose. Auf der Seite, auf der es keine Klappe in der Innenverkleidung der Kajute gab, gab es doch eine Klappe. Sie passte sich perfekt ins Muster des Holzes ein. Hinter der sichtbaren Klappe lagerten Nahrungsmittel. Hinter der verborgenen, die jetzt offen stand, gab es eine verborgene Koje. »Konnte mich gerade so an Deck schleppen, um zu pissen, wenn ihr es nicht gemerkt habt. Eine Weile dachte ich, ich verrecke da hinter meiner falschen Wand. Aber nein, noch bin ich da. Und solange ich nicht verreckt bin, bin iches, der auf diesem Schiff bestimmt. Wir fahren nach Isabela. Das ware nicht die erste Kugel, die ich auf dieser Reise verschwende. Ich kann die Mariposa auch allein segeln. Es ware mir allerdings lieber, du tatest es und ich konnte hier unten bleiben, unsichtbar.«

»In Ordnung«, flusterte Jose. »Wir fahren nach Isabela.«

Juan Casaflora war nicht tot, dachte er. Aber er war vielleicht verruckt.

»Dein Freund da drau?en braucht nichts von alldem zu wissen«, sagte Casaflora. »Je weniger Leute wissen, dass ich lebe, desto besser. Ich bekomme so ziemlich alles mit, was an Deck passiert, denk daran. Es ist bald Zeit, deinen Freund abzulosen. Und dann anderst du den Kurs, verstanden?«

Jose nickte gequalt. Casaflora nahm die Pistole herunter, aber es war, als wurde die Stelle noch immer brennen.

»Bist ein guter Junge«, sagte der Alte und kletterte zuruck in die Koje hinter der Wand. Sie schloss sich mit einem kaum horbaren Klicken.

Jose sa? einen Augenblick lang da und starrte ins Nichts. Dann bemerkte er, dass es im Nichts einen schwach gluhenden Punkt gab. Die Zigarette. Sie hatte ein kleines Loch in die Beschichtung des Tisches geschmolzen. Jose hob sie auf, betrachtete sie kurz – und rauchte sie zu Ende. Ein guter Junge? Er war kein Junge. Er war ein Mann.

Und er wurde es ihnen beweisen, irgendwie. Er wurde den Kurs andern, so wie Casaflora es wollte. Aber nicht fur immer. Zuerst musste er herausfinden, warum Casaflora es fur notig gehalten hatte zu sterben, um zu uberleben.

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