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Der Schwarm - Schatzing Frank (читать книги TXT) 📗

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»Hallo, Suzie Wong«, sagte er.

Li gab Vanderbilt die Hand und widerstand dem Impuls, sie gleich wieder an der Hose abzuwischen.

»Jack. Nett, Sie zu sehen.«

»Aber immer.« Vanderbilt grinste. »Liefern Sie denen eine schone Show, Baby. Wenn keiner klatscht, strippen Sie. Mein Beifall ist Ihnen sicher.«

Er fuhr sich uber die schwei?nasse Stirn, reckte augenzwinkernd einen Daumen und lie? sich neben Peak niedersinken. Li betrachtete ihn mit eingefrorenem Lacheln. Vanderbilt war Stellvertretender Direktor der CIA. Ein guter Mann, sehr gut sogar. Er wurde der Behorde fehlen. Sie nahm sich vor, ihn hubsch langsam zu vernichten, wenn es so weit war. Noch hatte sie ein Stuck Weg vor sich. Danach wurde das fette Schwein quiekend auf der Stra?e liegen, wie brillant Jack Vanderbilt auch immer sein mochte.

Der Raum fullte sich.

Viele der Anwesenden kannten einander nicht, und die Einnahme der Platze erfolgte schweigend. Li wartete geduldig, bis das Rascheln und Stuhlerucken verklungen war. Sie spurte die allgemeine Anspannung. Die Stimmungslage eines jeden Einzelnen hatte sie beschreiben konnen, der Reihe nach, wie sie da sa?en, nur durch einen kurzen Blick in die Augen. Li konnte in Seelen schauen, das hatte sie gelernt.

Sie trat vor das Pult, lachelte und sagte: »Entspannen Sie sich.«

Leises Murmeln durchlief die Reihen. Der eine oder andere schlug die Beine ubereinander und lehnte sich steif zuruck. Lediglich der gut aussehende norwegische Professor mit dem nachlassig drapierten Schal um den Hals hing beinahe gelangweilt in seinem Sitz. Hinter seiner Stirn schien ein anderer Film abzulaufen als in den Kopfen der Umsitzenden. Seine dunklen Augen ruhten auf Li. Sie versuchte, ihn einzuschatzen, aber Johanson blieb ihr verschlossen. Sie fragte sich, woran es lag. Der Mann hatte sein Haus verloren, er war mehr von der Katastrophe betroffen als irgendjemand sonst in diesem Raum. Er hatte deprimiert sein mussen, aber offenkundig war er es nicht. Es konnte nur einen Grund dafur geben. Johanson ging nicht davon aus, dass er heute etwas Neues erfahren wurde. Er hatte seine eigene Theorie, und sie uberwog Kummer und Verzweiflung. Entweder wusste er mehr als sie alle, oder er glaubte es zumindest.

Sie wurde den Norweger im Auge behalten.

»Ich wei?, dass Sie unter enormem Druck stehen«, fuhr sie fort. »Und ich mochte Ihnen aufrichtig danken, dass Sie dieses Treffen moglich gemacht haben. Insbesondere den hier versammelten Wissenschaftlern mochte ich danken. Angesichts Ihrer Mitarbeit bin ich im Innersten sicher, dass wir die Ereignisse der jungsten Vergangenheit nun auch im Licht der Hoffnung betrachten durfen. Sie geben uns Mut.«

Li sprach die Worte ohne Pathos, freundlich und ruhig, und sah dabei jeden direkt an. Sie erfreute sich ungeteilter Aufmerksamkeit. Nur Vanderbilt entblo?te seine Zahne und stocherte darin herum.

»Viele von Ihnen werden sich fragen, warum wir dieses Treffen nicht im Pentagon abhalten, im Wei?en Haus oder im kanadischen Regierungssitz. Nun, einerseits wollten wir Ihnen einen moglichst angenehmen Rahmen bieten. Die Vorzuge des Chateau Whistler sind legendar. Aber sein Hauptvorzug ist die Lage. Die Berge sind sicher. Die Kusten sind es nicht. Keine der kustennahen Stadte Kanadas oder Amerikas, in denen man solche Treffen abhalten konnte, ist derzeit noch sicher.«

Sie lie? ihren Blick uber die Gesichter wandern.

»Das ist der eine Grund. Der andere ist die Nahe zur Kuste British Columbias. Wir haben es mit Verhaltensanomalien und Mutationen zu tun, es gibt einen Kontinentalhang mit Methanvorkommen … kurz, alles, was uns derzeit beschaftigt, kommt dort zusammen. Vom Chateau aus gelangen wir mit dem Helikopter in kurzester Zeit ans Meer und konnen eine Vielzahl von Forschungseinrichtungen anfliegen, insbesondere das Nanaimo Institute. Schon vor Wochen haben wir im Chateau einen Stutzpunkt eingerichtet, um das Verhalten der Meeressauger zu beobachten. Angesichts der Entwicklungen in Europa haben wir uns entschlossen, den Stutzpunkt zum Krisenzentrum fur die ganze Welt auszubauen. Und das bestmogliche Krisenmanagement, ladies and gentlemen, sind Sie.«

Sie lie? die Worte eine Weile wirken. Sie wollte, dass die Leute im Raum sich ihrer Bedeutung bewusst wurden. Es war gut, wenn sie ungeachtet der tragischen Begleitumstande einen gewissen Stolz entwickelten, einen Sinn furs Elitare. So widersinnig es klang — es half ihnen, nach drau?en den Mund zu halten.

»Der dritte Grund ist, dass wir hier ungestort sind. Das Chateau ist von den Medien vollkommen abgeschottet. Naturlich bleibt es nicht unbemerkt, wenn ein Hotel in exponierter Lage plotzlich dichtmacht und uberall Militarhubschrauber kreisen. Aber es hat nie eine offizielle Verlautbarung gegeben, was wir hier oben eigentlich tun. Wenn man uns fragt, sprechen wir von einer Ubung. Daruber kann man zwar eine Menge schreiben, aber nichts Konkretes, also schreibt man besser gar nichts.« Li machte eine Pause. »Man kann, man darf der Offentlichkeit nicht alles offen legen. Panik ware der Anfang vom Ende. Ruhe bewahren hei?t, handlungsfahig zu bleiben. — Lassen Sie es mich ganz offen sagen: Das erste Opfer im Krieg ist immer die Wahrheit. Und wir sind im Krieg. In einem Krieg, den wir erst verstehen mussen, um ihn zu gewinnen. Dafur ist es erforderlich, eine Verpflichtung vor uns selber und der ganzen Menschheit einzugehen, was konkret hei?t, dass Sie von nun an mit niemandem, nicht einmal mit Ihren engsten Familienangehorigen und Freunden, uber Ihre Arbeit in diesem Stab sprechen durfen. Jeder von Ihnen wird im Anschluss eine entsprechende Erklarung unterschreiben, deren Einhaltung wir uberaus ernst nehmen. — Ich wurde es begru?en, wenn Sie etwaige Bedenken vor der Prasentation au?ern. Denn naturlich ist jedem freigestellt, die Unterzeichnung einer solchen Erklarung abzulehnen. Niemandem erwachst daraus ein Nachteil. Aber dann sollte er jetzt den Raum verlassen und sich unverzuglich nach Hause fliegen lassen.«

Innerlich schloss sie eine Wette mit sich ab. Niemand wurde aufstehen und gehen. Aber eine Frage wurde gestellt werden.

Sie wartete.

Jemand hob die Hand.

Der Mann hie? Mick Rubin. Er stammte aus Manchester und war Biologe, ein Spezialist fur Weichtiere.

»Hei?t das, wir konnen das Chateau nicht verlassen?«

»Das Chateau ist kein Gefangnis«, sagte Li. »Sie konnen jederzeit gehen, wohin Sie wollen. Nur uber Ihre Arbeit durfen Sie nicht reden.«

»Und wenn …« Rubin druckste herum.

»Wenn Sie es doch tun?« Li setzte eine besorgte Miene auf. »Ich verstehe, dass Sie die Frage stellen mussen. Nun, wir wurden jede Ihrer Au?erungen dementieren und sicherstellen, dass Sie die Erklarung kein weiteres Mal verletzen konnen.«

»Und das … ahm … liegt in Ihrer Macht? Ich meine, Sie sind …«

»Befugt? Den meisten von Ihnen durfte bekannt sein, dass Deutschland vor drei Tagen eine Initiative ins Leben gerufen hat, um die aktuellen Vorfalle im Rahmen der Europaischen Union gemeinschaftlich zu untersuchen. Man hat sich darauf geeinigt, dem deutschen Innenminister den Vorsitz zu ubertragen. Zugleich hat die NATO vorsorglich den Bundnisfall proklamiert. In Norwegen, Gro?britannien, Belgien, den Niederlanden, Danemark und auf den Faroern herrscht der Ausnahmezustand, teils national, teils in einzelnen Regionen. Auch Kanada und die USA kooperieren unter der Federfuhrung der Vereinigten Staaten. Andere Lander wurden sich gerne einbringen. Je nach Entwicklung der Weltlage ist nicht auszuschlie?en, dass die Vereinten Nationen demnachst eine Art Gesamtverantwortung ubernehmen. Uberall werden bestehende Regeln au?er Kraft gesetzt und Kompetenzen neu verteilt. Angesichts der besonderen Situation — ja, wir sind befugt.«

Rubin zupfte an seiner Unterlippe und nickte. Es kamen keine weiteren Fragen mehr.

»Gut«, sagte Li. »Dann wollen wir beginnen. Major Peak, bitte.«

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