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Der Schwarm - Schatzing Frank (читать книги TXT) 📗

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So jedenfalls hatte er sich die Sache gedacht.

Und jetzt sa? er auf diesem verdammten Schiff.

Er wusste nicht, woruber er sich mehr argern sollte. Uber Skaugen, der ihn verraten hatte, oder uber sich selber. Hatte er die Spielregeln nicht in Kauf genommen? Woruber regte er sich auf? Es war geschehen. Der ungunstigste aller Falle war eingetreten. Jeder brachte sich in Sicherheit. Skaugen wusste nur zu gut, dass die desastrosen Vorgange am Hang fruher oder spater an die Offentlichkeit gelangen wurden. Niemand konnte sich sein Schweigen noch lange leisten, wenn er nicht riskieren wollte, blo?gestellt zu werden. Statoils Umfrage unter den Konzernen hatte eine Entwicklung in Gang gesetzt, die nicht mehr zu stoppen war. Jeder setzte nun jeden unter Druck. Keine konspirativen Absprachen waren noch moglich mit einer drohenden Umweltkatastrophe vor Augen. Es ging einzig darum, wer in dieser verfahrenen Situation am elegantesten die Kurve kriegte und wen man dafur schlachtete.

Stone kochte vor Zorn. Er hatte kotzen konnen, als Skaugen sich als Gutmensch aufgespielt hatte. Dabei war Finn Skaugen der Schlimmste von allen. Sein Spiel war weit perfider als alles, was sich ein Clifford Stone in seinen schwarzesten Momenten auszudenken vermochte. Was hatte er denn schon verbrochen? Naturlich hatte er sich im erweiterten Handlungsrahmen bewegt, aber warum denn? Weil man ihm diesen Rahmen zugebilligt hatte! Lacherlich, er hatte ihn ja nicht mal richtig ausgenutzt. Ein unbekannter Wurm, na und? Selbstverstandlich hatte er das idiotische Gutachten ›vergessen‹. Kein Wurm hatte je die Seefahrt gefahrdet oder eine Bedrohung fur Bohrinseln dargestellt. Inmitten Milliarden planktonischer Lebewesen kreuzten taglich tausende von Schiffen. Blieben die etwa im Hafen angesichts einer neuen Art Ruderfu?krebs, wie man sie standig entdeckte?

Dann die Sache mit den Hydraten. Zum Totlachen. Die Gasaustritte hatten absolut im grunen Bereich gelegen.

Aber was ware passiert, wenn er dieses Gutachten vorgelegt hatte? Verfluchte Burokraten, die in allem, was hei? serviert wurde, so lange herumstocherten, bis kalte Matsche ubrig blieb. Sie hatten den Bau verzogert, fur nichts und wieder nichts.

Das System tragt Schuld, dachte Stone grimmig. Allen voran Skaugen mit seiner widerlichen Bigotterie. Das Vorstandspack, das einem grinsend auf die Schulter schlug und sagte, klasse, Kumpel, mach weiter so, aber lass dich nicht erwischen, denn dann sind wir’s nicht gewesen, sie trugen Schuld an Stones unverdientem Elend. Und Tina Lund, auch sie war schuld, sie hatte sich bei Skaugen eingeschleimt, um den Job zu bekommen, wahrscheinlich lie? sie sich ficken von dem Arschloch! Ja, so musste es sein. Hatte sie je mit ihm gevogelt, mit Stone? Verfluchte Schlampe. Sogar Dank hatte er heucheln mussen dafur, dass die blode Kuh sich fur ihn eingesetzt und Skaugen ihm die Chance gegeben hatte, seine verloren gegangene Fabrik wiederzufinden. Und was man von dieser Chance zu halten hatte, war ebenfalls klar. Es war keine Chance, sondern eine Falle. Alle, alle hatten ihn verraten!

Aber er wurde es ihnen zeigen. Clifford Stone war noch lange nicht erledigt. Was immer mit der Fabrik geschehen war, er wurde es herausfinden und in Ordnung bringen. Dann erst wurde man sehen, wer bei wem Leichen im Keller hatte.

Er selber wurde der Sache auf den Grund gehen.

Hochstpersonlich!

Die Thorvaldson hatte den Standort der Fabrik inzwischen mit dem Fachersonar gescannt. Die Anlage blieb verschwunden. Wo sie gestanden hatte, schien die Morphologie des Meeresbodens eine andere geworden zu sein. Dort unten klaffte ein Graben, den es vor wenigen Tagen noch nicht gegeben hatte. Stone konnte nicht leugnen, dass ihm beim Gedanken an die Tiefe ebenso mulmig wurde wie der Besatzung und dem technischen Team. Aber er verdrangte die Angst. Er dachte nur an seine Tauchfahrt und wie er den Schleier am Ende luften wurde.

Clifford Stone. Unerschrocken. Ein Mann der Tat!

Auf dem Achterdeck der Thorvaldson wartete das Tauchboot darauf, ihn nach unten zu bringen, in neunhundert Meter Tiefe. Naturlich hatte er zuerst den Roboter auf Erkundung schicken sollen. Jean-Jacques Alban und jeder an Bord hatte ihm dringend dazu geraten.

Victor verfugte uber ausgezeichnete Kameras, einen hoch sensiblen Greifarm und alle Instrumente, die fur eine schnelle Datenauswertung vonnoten waren. Aber es machte mehr Eindruck, wenn er selber ging. Man wurde im Konzern begreifen, dass ein Clifford Stone kein Freund halber Sachen war. Au?erdem teilte er Albans Ansicht nicht. Auf der Sonne hatte er sich mit Gerhard Bohrmann uber Reisen in bemannten Tauchbooten unterhalten. Bohrmann war mit der legendaren Alvin vor Oregon runtergegangen. Seine Augen hatten etwas Vertraumtes bekommen, als er davon erzahlt hatte. Er hatte gesagt: »Ich habe tausende von Videoaufzeichnungen gesehen. Aufzeichnungen von Robotern, allesamt sehr beeindruckend. Aber selber da drin zu sitzen, selber unten zu sein, diese Dreidimensionalitat — ich hatte nie gedacht, dass es so sein wurde. Es ist unvergleichlich.«

Und dass keine Maschine Sinnesorgane und Intuition des Menschen je vollstandig wurde ersetzen konnen, hatte er auch gesagt. Stone lachelte grimmig. Diesmal war er am Zug. Er hatte klug gehandelt. Das Tauchboot war uber seine ausgezeichneten Kontakte schnell zu beschaffen gewesen. Es war ein DR 1002, ein Deep Rover der amerikanischen Deep Ocean Engineering, und gehorte zu den kleinen und leichten Booten einer vollig neuen Generation. Auf wuchtigen Kufen, denen zwei mehrgelenkige Greifarme entwuchsen, ruhte eine vollkommen transparente Kugel. Im Innern waren zwei bequem aussehende Sitze mit seitlich angeordneten Bedienungselementen untergebracht. Stone war sehr zufrieden mit seiner Wahl, als er neben das Deep Rover trat. Es war an die Trossen des Auslegers gekoppelt und aufgebockt, sodass man durch die Bodenluke ins Innere kriechen konnte. Der Pilot, ein vierschrotiger pensionierter Marineflieger, den alle Eddie nannten, hockte bereits im Innenraum und checkte die Instrumente. Wie ublich, bevor ein Tauchboot zu Wasser gelassen wurde, wimmelte es auf dem Achterdeck von Matrosen, Technikern und Wissenschaftlern. Stone sah sich suchend um, erblickte Alban und pfiff ihn heran.

»Wo ist der Fotograf?«, rief er ungeduldig. »Und der Kerl mit der Kamera?«

»Keine Ahnung«, sagte Alban im Naherkommen. »Den Kameramann habe ich vorhin irgendwo rumschleichen sehen.«

»Dann soll er gefalligst herschleichen«, blaffte Stone. »Wir gehen nicht runter, ohne das hier dokumentiert zu haben.«

Alban runzelte die Stirn und sah hinaus aufs Meer. Der Tag war dunstig, mit schlechter Sicht.

»Es stinkt«, sagte er.

Stone zuckte die Achseln. »Das liegt am Methan.«

»Es wird schlimmer.«

Tatsachlich lag ein schwefeliger Geruch uber dem Meer.

Es musste eine Menge Gas dort unten freigesetzt worden sein, dass es oben derart ubel roch. Sie alle hatten gesehen, was am Hang los war, sie hatten die Wurmer gesehen und die aufsteigenden Blasen. Niemand konnte oder wollte sich eine Vorstellung davon machen, was am Ende dieser Entwicklung stand, aber es war eindeutig kein gutes Zeichen, wenn das ganze Meer roch, als hatte jemand eine Wagenladung Stinkbomben platzen lassen.

»Das kriegt sich alles wieder ein«, sagte Stone.

Alban sah ihn an. »Horen Sie, Stone, ich wurde das an Ihrer Stelle bleiben lassen.«

»Was?«

»Den Tauchgang.«

»Ach Blodsinn!« Stone sah sich zornig um. »Wo ist jetzt dieser verdammte Fotograf?«

»Es ist zu riskant.«

»Quatsch.«

»Au?erdem fallt das Barometer. Es fallt ins Bodenlose.

Wir bekommen Sturm.« »Sturm ist unerheblich fur Tauchboote, muss ich Ihnen das erst erklaren? Wir gehen runter und basta.«

»Stone, Sie Idiot! Warum machen Sie das?«

»Weil wir so einen besseren und schnelleren Uberblick gewinnen«, belehrte ihn Stone. »Herrgott, Jean, seien Sie nicht so eine verdammte Memme. Nichts kriegt die Kiste da klein, schon gar nicht ein paar Wurmer. Das Boot kommt vier Kilometer tief …«

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