Сиддхартха (На немецком языке) - Гессе Герман (читать книги онлайн бесплатно без сокращение бесплатно txt) 📗
Zorn und Gram liefen in ihm Xber, schXumten in hundert wXsten und bXsen Worten dem Vater entgegen. Dann lief der Knabe davon und kam erst spXt am Abend wieder.
Am andern Morgen aber war er verschwunden. Verschwunden war auch ein kleiner, aus zweifarbigem Bast geflochtener Korb, in welchem die FXhrleute jene Kupfer— und SilbermXnzen aufbewahrten, welche sie als FXhrlohn erhielten. Verschwunden war auch das Boot, Siddhartha sah es am jenseitigen Ufer liegen. Der Knabe war entlaufen.
"Ich muss ihm folgen," sagte Siddhartha, der seit jenen gestrigen Schimpfreden des Knaben vor Jammer zitterte. "Ein Kind kann nicht allein durch den Wald gehen. Er wird umkommen. Wir mXssen ein Floss bauen, Vasudeva, um Xbers Wasser zu kommen."
"Wir werden ein Floss bauen," sagte Vasudeva, "um unser Boot wieder zu holen, das der Junge entfXhrt hat. Ihn aber solltest du laufen lassen, Freund, er ist kein Kind mehr, er weiX sich zu helfen. Er sucht den Weg nach der Stadt, und er hat Recht, vergiss das nicht. Er tut das, was du selbst zu tun versXumt hast. Er sorgt fXr sich, er geht seine Bahn. Ach, Siddhartha, ich sehe dich leiden, aber du leidest Schmerzen, Xber die man lachen mXchte, Xber die du selbst bald lachen wirst."
Siddhartha antwortete nicht. Er hielt schon das Beil in HXnden, und begann ein Floss aus Bambus zu machen, und Vasudeva half ihm, die StXmme mit Grasseilen zuzammen zu binden. Dann fuhren sie hinXber, wurden weit abgetrieben, zogen das Floss am jenseitigen Ufer flussauf.
"Warum hast du das Beil mitgenommen?" fragte Siddhartha.
Vasudeva sagte: "Es kXnnte sein, dass das Ruder unsres Bootes verloren gegangen wXre."
Siddhartha aber wusste, was sein Freund dachte. Er dachte, der Knabe werde das Ruder weggeworfen oder zerbrochen haben, um sich zu rXchen und um sie an der Verfolgung zu hindern. Und wirklich war kein Ruder mehr im Boote. Vasudeva wies auf den Boden des Bootes, und sah den Freund mit LXcheln an, als wollte er sagen; "Siehst du nicht, was dein Sohn dir sagen will? Siehst du nicht, dass er nicht verfolgt sein will?" Doch sagte er dies nicht mit Worten. Er machte sich daran, ein neues Ruder zu zimmern. Siddhartha aber nahm Abschied, um nach dem Entflohenen zu suchen. Vasudeva hinderte ihn nicht.
Als Siddhartha schon lange im Walde unterwegs war, kam ihm der Gedanke, dass sein Suchen nutzlos sei. Entweder, so dachte er, war der Knabe lXngst voraus und schon in der Stadt angelangt, oder, wenn er noch unterwegs sein sollte, wXrde er vor ihm, dem Verfolgenden, sich verborgen halten. Da er weiter dachte, fand er auch, dass er selbst nicht in Sorge um seinen Sohn war, dass er im Innersten wusste, er sei weder umgekommen, noch drohe ihm im Walde Gefahr. Dennoch lief er ohne Rast, nicht mehr, um ihn zu retten, nur aus Verlangen, nur um ihn vielleicht nochmals zu sehen. Und er lief bis vor die Stadt.
Als er nahe bei der Stadt auf die breite StraXe gelangte, blieb er stehen, am Eingang des schXnen Lustgartens, der einst Kamala gehXrt hatte, wo er sie einst, in der SXnfte, zum erstenmal gesehen hatte. Das Damalige stand in seiner Seele auf, wieder sah er sich dort stehen, jung, ein bXrtiger nackter Samana, das Haar voll Staub. Lange stand Siddhartha und blickte durch das offne Tor in den Garten, MXnche in gelben Kutten sah er unter den schXnen BXumen gehen.
Lange stand er, nachdenkend, Bilder sehend, der Geschichte seines Lebens lauschend. Lange stand er, blickte nach den MXnchen, sah statt ihrer den jungen Siddhartha, sah die junge Kamala unter den hohen BXumen gehen. Deutlich sah er sich, wie er von Kamala bewirtet ward, wie er ihren ersten Kuss empfing, wie er stolz und verXchtlich auf sein Brahmanentum zurXckblickte, stolz und verlangend sein Weltleben begann. Er sah Kamaswami, sah die Diener, die Gelage, die WXrfelspieler, die Musikanten, sah Kamalas Singvogel im KXfig, lebte dies alles nochmals, atmete Sansara, war nochmals alt und mXde, fXhlte nochmals den Ekel, fXhlte nochmals den Wunsch, sich auszulXschen, genas nochmals am heiligen Om.
Nachdem er lange beim Tor des Gartens gestanden war, sah Siddhartha ein, dass das Verlangen tXricht war, das ihn bis zu dieser StXtte getrieben hatte, dass er seinem Sohne nicht helfen konnte, dass er sich nicht an ihn hXngen durfte. Tief fXhlte er die Liebe zu dem Entflohenen im Herzen, wie eine Wunde, und fXhlte zugleich, dass ihm die Wunde nicht gegeben war, um in ihr zu wXhlen, dass sie zur BlXte werden und strahlen mXsse.
Dass die Wunde zu dieser Stunde noch nicht blXhte, noch nicht strahlte, machte ihn traurig. An der Stelle des Wunschzieles, das ihn hierher und dem entflohenen Sohne nachgezogen hatte, stand nun Leere. Traurig setzte er sich nieder, fXhlte etwas in seinem Herzen sterben, empfand Leere, sah keine Freude mehr, kein Ziel. Er saX versunken, und wartete. Dies hatte er am Flusse gelernt, dies eine: warten, Geduld haben, lauschen. Und er saX und lauschte, im Staub der StraXe, lauschte seinem Herzen, wie es mXd und traurig ging, wartete auf eine Stimme. Manche Stunde kauerte er lauschend, sah keine Bilder mehr, sank in die Leere, lieX sich sinken, ohne einen Weg zu sehen. Und wenn er die Wunde brennen fXhlte, sprach er lautlos das Om, fXllte sich mit Om. Die MXnche im Garten sahen ihn, und da er viele Stunden kauerte, und auf seinen grauen Haaren der Staub sich sammelte, kam einer gegangen und legte zwei PisangfrXchte vor ihm nieder. Der Alte sah ihn nicht.
Aus dieser Erstarrung weckte ihn eine Hand, welche seine Schulter berXhrte. Alsbald erkannte er diese BerXhrung, die zarte, schamhafte, und kam zu sich. Er erhob sich und begrXte Vasudeva, welcher ihm nachgegangen war. Und da er in Vasudevas freundliches Gesicht schaute, in die kleinen, wie mit lauter LXcheln ausgefXllten Falten, in die heiteren Augen, da lXchelte auch er. Er sah nun die PisangfrXchte vor sich liegen, hob sie auf, gab eine dem FXhrmann, aX selbst die andere. Darauf ging er schweigend mit Vasudeva in den Wald zurXck, kehrte zur FXhre heim. Keiner sprach von dem, was heute geschehen war, keiner nannte den Namen des Knaben, keiner sprach von seiner Flucht, keiner sprach von der Wunde. In der HXtte legte sich Siddhartha auf sein Lager, und da nach einer Weile Vasudeva zu Ihm trat, um ihm eine Schale Kokosmilch anzubieten, fand er ihn schon schlafend.
OM
Lange noch brannte die Wunde. Manchen Reisenden musste Siddhartha Xber den Fluss setzen, der einen Sohn oder eine Tochter bei sich hatte, und keinen von ihnen sah er, ohne dass er ihn beneidete, ohne dass er dachte: "So viele, so viel Tausende besitzen dies holdeste GlXck X warum ich nicht? Auch bXse Menschen, auch Diebe, und RXuber haben Kinder, und lieben sie, und werden von ihnen geliebt, nur ich nicht." So einfach, so ohne Verstand dachte er nun, so Xhnlich war er den Kindermenschen geworden.
Anders sah er jetzt die Menschen an als frXher, weniger klug, weniger stolz, dafXr wXrmer, dafXr neugieriger, beteiligter. Wenn er Reisende der gewXhnlichen Art Xbersetzte, Kindermenschen, GeschXftsleute, Krieger, Weibervolk, so erschienen diese Leute ihm nicht fremd wie einst: er verstand sie, er verstand und teilte ihr nicht von Gedanken und Einsichten, sondern einzig von Trieben und WXnschen geleitetes Leben, er fXhlte sich wie sie. Obwohl er nahe der Vollendung war, und an seiner letzten Wunde trug, schien ihm doch, diese Kindermenschen seien seine BrXder, ihre Eitelkeiten, Begehrlichkeiten und LXcherlichkeiten verloren das LXcherliche fXr ihn, wurden begreiflich, wurden liebenswert, wurden ihm sogar verehrungswXrdig. Die blinde Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, den dummen, blinden Stolz eines eingebildeten Vaters auf sein einziges SXhnlein, das blinde, wilde Streben nach Schmuck und nach bewundernden MXnneraugen bei einem jungen, eitlen Weibe, alle diese Triebe, alle diese Kindereien, alle diese einfachen, tXrichten, aber ungeheuer starken, stark lebenden, stark sich durchsetzenden Triebe und Begehrlichkeiten waren fXr Siddhartha jetzt keine Kindereien mehr, er sah um ihretwillen die Menschen leben, sah sie um ihretwillen Unendliches leisten, Reisen tun, Kriege fXhren, Unendliches leiden, Unendliches ertragen, und er konnte sie dafXr lieben, er sah das Leben, das Lebendige, das UnzerstXrbare, das Brahman in jeder ihrer Leidenschaften, jeder ihrer Taten. Liebenswert und bewundernswert waren diese Menschen in ihrer blinden Treue, ihrer blinden StXrke und ZXhigkeit. Nichts fehlte ihnen, nichts hatte der Wissende und Denker vor ihnen voraus als eine einzige Kleinigkeit, eine einzige winzig kleine Sache: das Bewusstsein, den bewussten Gedanken der Einheit alles Lebens. Und Siddhartha zweifelte sogar zu mancher Stunde, ob dies Wissen, dieser Gedanke so sehr hoch zu werten, ob nicht auch er vielleicht eine Kinderei der Denkmenschen, der Denk-Kindermenschen sein mXchte. In allem andern waren die Weltmenschen dem Weisen ebenbXrtig, waren ihm oft weit Xberlegen, wie ja auch Tiere in ihrem zXhen, unbeirrten Tun des Notwendigen in manchen Augenblicken den Menschen Xberlegen scheinen kXnnen.