Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander (читать полностью бесплатно хорошие книги txt) 📗
Keverne beobachtete, wie das Prisenschiff die Marssegel setzte und sich schwerfallig an der Festungsmauer vorbeiquetschte. Wie alle Schiffe des kleinen Geleits nach Gibraltar war es mit Menschen vollgestopft, Gefangenen und Zivilisten. Das wurde eine unbequeme Reise werden, dachte Keverne.
Er horte Schritte hinter sich — Bolitho.»Sieht nach gutem Wind aus«, sagte er.»Signal an Geschwader: >Anker lichten.< Dann laufen Sie bitte Kurs Nordwest zu Nord, wie Sir Lucius angeordnet hat.»
«Klar bei Ankerspill!«brullte Keverne. Ein Midshipman kritzelte die Order auf seine Tafel, und die Signalgasten suchten bereits die Flaggen heraus.
«Die Hekla kommt jetzt von der Festung klar, Sir«, meldete Mids-hipman Tothill.
Bolitho nahm ein Teleskop und richtete es auf den kleinen Bombenwerfer. Abgesehen von einem Kutter, der das Sprengkommando im allerletzten Moment aufnehmen sollte, war die Hekla das letzte Fahrzeug, das die Bucht verlie?. Jetzt lag Djafou wieder einsam da mit seiner Hinterlassenschaft an Leid und Tod, den Erinnerungen an Sieg und Niederlage. Vielleicht wurde eines Tages wieder jemand versuchen, diesen Ort zu besetzen, das Kastell aufzubauen, dort wieder eine Basis fur Tyrannei und Sklavenjagd zu errichten. Aber hoffentlich wurden bis dahin derartige Praktiken der allgemeinen Verurteilung anheimgefallen sein.
Die Hekla sturzte sich mit vollen Marssegeln in die ersten Wellen der ablandigen Dunung. Es war nicht leicht, das Teleskop mit einer Hand zu halten; betroffen merkte er, da? ihm bereits vor Anstrengung der Atem stockte. Aber nur noch einen Augenblick! Er lie? das Glas langsam uber das Vorschiff der Hekla gleiten, wo die Matrosen in den karierten Hemden scheinbar sinnlos durcheinanderliefen und das
Schiff auf Kurs brachten. Dann sah er Inch, der sich an der niedrigen Reling festklammerte, den mageren Korper gegen die Schraglage neigend — er schwenkte seinen Hut. Vor ein paar Tagen noch hatte er auf dem gleichen ungeschutzten Deck gestanden, umtost von den wild feuernden Karronaden; und dann hatte er sich erschrocken und bekummert uber Bolitho gebeugt, den die Kugel jenes unbekannten Schutzen auf die Planken geworfen hatte. Wie deutlich er sich daran erinnerte! Jetzt segelte Inch mit seiner merkwurdigen Ladung voll schwatzender Passagiere einem neuen Wendepunkt seines Lebens entgegen; und es war nur zu hoffen, da? er Gibraltar erreichte, ohne auf einen Feind zu sto?en.
Bolitho fuhr zusammen: dort neben Inch stand jetzt jemand. Obwohl die Hekla schon eine gute halbe Meile entfernt war, konnte er Kates Haar im Wind fliegen sehen; hell glanzte ihr gelbes Kleid in der strahlenden Sonne. Sie winkte ebenfalls, zeigte lachelnd die wei?en Zahne im gebraunten Gesicht und er glaubte ihre Stimme zu horen, der er nachts gelauscht hatte, als ringsum alles still gewesen war.
«Hier, nehmen Sie das Glas, Mr. Tothill!»
Immer noch steif vom Wundfieber fa?te er mit gespreizten Beinen festen Stand und schwenkte langsam den Hut. Manche, die es sahen, wunderten sich. Aber Allday, der bei der Leiter stand, lachelte dankbar.
Es war eine knappe Sache gewesen. Und wenn sie nicht. Ein Schauer uberlief ihn. Er wandte sich um und sah Calvert nach, der niedergeschlagen den Decksgang entlangschlenderte und sich lustlos gegen die Netze lehnte. Er schien sich mehr denn je in sein Inneres zuruckzuziehen und sprach kaum, auch nicht mit den anderen Offizieren. Sehr schade, dachte Allday, denn der Flaggleutnant hatte keine Ahnung, mit welcher Bewunderung man von ihm in den uberfullten Wohndecks sprach, seit er wieder an Bord war. Allday schuttelte den Kopf. Zweifellos hatte Calvert einen reichen Vater, der ihm den Hals retten wurde, aber vielleicht lag ihm gar nichts mehr daran. Wie er dastand und in die kabbelige See starrte, war sein Gesicht vollkommen ausdruckslos.
«Ah, Calvert!«Alle blickten sich um: Broughton eilte munteren Schrittes aus der Hutte.»Kommen Sie her!«rief er.
Calvert ging nach achtern und fa?te an den Hut.»Sir?«fragte er mi?trauisch.
«Ich habe eine Menge fur Sie zu tun. «Lassig blickte Broughton zur Hekla hinuber, die ihren stumpfen Bug in eine trag anrollende Welle grub. Dann warf er einen kurzen Blick auf Bolitho, verzog die Lippen zum Schatten eines Lachelns und wandte sich wieder an Calvert:»Vielleicht wurden Sie mit mir speisen, wenn wir mit dem Schreibkram fertig sind — eh?»
Allday sah, da? Calvert der Mund offen blieb, und war verwirrter denn je. Sogar Broughton hatte anscheinend seine Haltung Calvert gegenuber geandert.
Bolitho hatte den Admiral gehort und wandte sich ihm zu.»Pardon, Sir. Ich habe Sie nicht kommen sehen.»
«Schon gut«, nickte Broughton.
«Das Geschwader hat bestatigt, Sir«, meldete Tothill, der die fluchtige Episode nicht mitbekommen hatte.
Bolitho drehte sich um und rief:»Machen Sie weiter, Mr. Keverne!»
Wahrend das Signal des Flaggschiffs von der Rah verschwand, wurde es an Deck lebendig: Segel wurden gesetzt. Auf die Reling gestutzt sah Bolitho zu, wie die Toppmatrosen oben auslegten und die Leinwand freigaben, die sich mit explosionsartigem Knall im Winde entfaltete.
«Anker ist los, Sir!«meldete Meheux. Dort im Vorschiff, wo er stand und Handzeichen gab, sah er gegen die ferne Landzunge ganz wichtig aus.
Schwerfallig neigte sich die Euryalus uber ihr Spiegelbild, bis die unteren Stuckpforten durch die Wasserlinie schnitten. Die Matrosen holten die Brassen noch dichter, die Manner am Rad hielten hart ge-genan; majestatisch, doch gehorsam beugte sich das Schiff den Kraften von Wind und Ruder.
Keverne brullte durch sein Sprechrohr:»Lebhaft bei Leebrassen! Treiben Sie die faulen Hunde an! Auf der Valorous klappt es besser als bei uns!»
Bolitho lehnte sich uber die Reling und sah zu, wie der Anker, mit triefenden Strangen gelben Seegrases an den machtigen Fluken, gelichtet und von Meheux' geschaftigen Matrosen gereinigt wurde.
Er sah zur anderen Seite hinuber. Auf der Coquette und der Restless standen bereits die Bramsegel. Beide Schiffe sturmten durch Fontanen von Gischt vorwarts und entfernten sich rasch von den schweren Schiffen.
«Nordwest zu Nord, Sir!«rief Partridge, rieb sich das Salzwasser aus den Augen und spahte hinauf zu den gebra?ten Rahen, zu dem immer steifer stehenden Gro?marssegel, unter dessen Druck die Euryalus jetzt merklich uberholte.»Kurs liegt an, Sir!«meldete er.
Broughton griff sich ein Teleskop und befahl nervos:»Signal an alle: >Positionen einhaltenValorous, die mit killendem Kluver drehte, um ins Kielwasser des Flaggschiffs einzuscheren.
«Kann ich Bramsegel setzen, Sir?«fragte Keverne.
Bolitho nickte.»Nutzen Sie den Wind ruhig aus.»
Gerade als Keverne eilig zur Reling schritt, war ein vibrierendes Drohnen zu vernehmen. Jedes freie Teleskop im ganzen Geschwader blinkte in der Sonne. Aller Augen waren auf die ferne Festung gerichtet. Dann brach das Drohnen ab, und mit furchtbarer Plotzlichkeit stiegen mehrere turmhohe Flammen- und Rauchwande auf, massig und fest wie fur die Ewigkeit und alles verbergend, was dahinter geschah.
Doch der Wind blies den widerstrebenden Rauch schlie?lich auseinander, und Bolitho sah die Ruinen des Kastells. Der innere Turm war vollkommen eingesturzt, wie der Schornstein eines alten Brennofens; Mauern und Brustwehren waren nur noch Schutt. Nacheinander folgten noch ein paar Explosionen im Festungsinnern; er konnte sich vorstellen, wie liebevoll Inchs Stuckmeister, Mr. Broome, die einzelnen Ladungen plaziert hatte. Er hielt den Atem an, als etwas Kleines, Dunkles, Schmales aus dem Rauch kam und hinaus auf See glitt: Broome und seine Manner hatten sich im letzten Moment abgesetzt.
Nachdenklich sagte Giffard:»Dieser Bau hat allerhand erlebt, bei Gott!»
«Das la?t sich nicht leugnen, Hauptmann Giffard«, stimmte Brough-ton mit einem Blick auf Bolithos Rucken und einem leichten Lacheln zu.