Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien - Kent Alexander (читать книги онлайн бесплатно без сокращение бесплатно .txt) 📗
Er fragte sich, ob Hardacre vielleicht in diesem Augenblick am Tor Raymond seine Mitteilung zurief, ihn unterrichtete, was er und seine Leute versuchten, um ihn und seine feigen Wachtposten zu retten.
Er dachte auch an den Augenblick, als der Kutter an den noch glimmenden Uberresten der Eurotas vorbeigeglitten war. Nur das geschwarzte Achterdeck und die Heckreling ragten noch aus dem Wasser auf, aber es hatte Viola veranla?t, nach seiner Hand zu greifen und sie in der Dunkelheit an sich zu drucken. Der Anblick der dunklen Silhouette, umgeben von spruhender Gischt und treibenden Wrackstucken, mu?te ihr augenblicklich alles in Erinnerung gerufen haben. Es war in dieser Kajute gewesen, wo Tuke sie verhohnt und gedemutigt hatte.
«Riemen ein!«Keen beugte sich ubers Dollbord, als sein Boot sich langsseit legte.»Der Wind hat nachgelassen, Sir«, sagte er. Er lachelte Viola an.»Hoffentlich konnten Sie schlafen, Ma'am.»
Dieses Lacheln macht ihn nur trauriger, dachte Bolitho.»Ich hoffe, da? es so bleibt. «Bolitho bemuhte sich, sachlich und gelassen zu sprechen.
Anders als auf seinem Schiff, konnte er sich hier nirgendwo vor jenen verbergen, die von ihm abhingen. Funfhundert Meilen, und weder eine Karte noch einen Sextanten. Alles, was er besa?, war ein kleiner Bootskompa? und die bescheidensten Vorrate an Nahrungsmitteln und Wasser. Hardacre war es gelungen, ihn mit etwas Wein und einer Flasche Rum zu versehen, und beides wollte er fur diejenigen aufbewahren, die unter der qualenden Hitze und der enormen Belastung zu versagen drohten. Sie besa?en sechs Musketen, die auf die beiden Boote aufgeteilt waren, und au?er den Pistolen der Offiziere waren mehrere Entermesser vorhanden sowie ein Enterbeil, das Miller standig am Gurtel trug. Das war nicht viel, aber wenn sie sich auf die fur jeden Tag eingeteilten Rationen beschrankten, hatten sie eine Chance. Sollte allerdings ein Tropensturm oder Fieber ausbrechen, war ihre Lage aussichtslos.
Um alle daran zu erinnern, wie notwendig Vorsicht und Wachsamkeit waren, hatte sich ihnen in der Morgendammerung ein Hai angeschlossen, der jetzt etwa eine Kabellange hinter ihnen kreuzte.
Bolitho hatte die Lage der Inseln auf der Karte vor Augen. Die Levu-Gruppe und von dort dem Kompa? nach genau nach Norden zu den Navigator Islands, in deren nachster Nahe Rutara lag und, wenn sie Gluck hatten, die Tempest. »Wir wollen auf beiden Booten die gleiche Wasserration ausgeben, Mr. Keen«, sagte Bolitho.»Morgen beabsichtige ich, die am meisten versprechende Bucht anzulaufen, um unsere Vorrate durch Kokosnusse zu erganzen. Vielleicht finden wir zwischen den Felsen auch Muscheln. «Er wunschte fur seine Leute eine warme Mahlzeit, wie frugal und karglich sie auch sein mochte, denn nichts war besser, um die Manner bei guter Gesundheit und Laune zu erhalten. Sobald sie auf einer der Inseln an Land gingen, wollte er es Keen sagen. Es jetzt uber den gesenkten Kopfen seiner Leute laut auszusprechen, konnte wie das vorzeitige Eingestandnis eines Fehlschlags klingen. Miller sah von seinen Bemuhungen mit Nadel und Palmfasern auf.»Ich habe noch ein Stuck Leinwand ubrig, Sir. «Er hielt ein ausgefranstes Stuck in der Gro?e einer Hangematte hoch.»Es wird fur Sie ein brauchbarer Sonnenschutz sein, Ma'am.»
Sie lachelte.»So viel Freundlichkeit kann ich nicht ablehnen. «Sie fuhr sich mit dem Finger uber den Halsausschnitt ihres Kleides.»Merkwurdig, da? es auf dem Wasser so viel hei?er ist als an Land. «Miller lachte verhalten.»Gott beschutze Sie, Ma'am, aber wir werden aus Ihnen noch einen Matrosen machen. «Ein paar Manner im anderen Boot nickten grinsend wie unrasierte Galeerensklaven. Bolitho beobachtete sie und legte ihr die Hand auf die Schulter. Leise sagte er:»Du bist mehr wert als jede Menge Muskelkraft. Du bringst sie zum Lacheln, wenn sie eigentlich an nichts anderes als Rettung und Schlaf denken sollten.»
Er blickte zur Sonne auf.»Ubernehmen Sie das Ruder, Mr. Pyper. Jetzt bin ich an den Riemen dran. «Zu dem Marinesoldaten sagte er:»Gehen Sie nach achtern und sehen Sie nach den Verwundeten. «Er wartete, bis der Mann zu ihm aufblickte.»Dann uberprufen Sie die Waffen und vergewissern Sie sich, da? das Pulver sicher untergebracht ist.»
Die beiden Boote losten sich wieder voneinander, plotzlich sehr klein und gebrechlich auf der gro?en Weite.
Uber Alldays breiten Rucken hinweg bemerkte er, da? Viola ihn beobachtete. Ihre Augen im Schatten ihres Strohhuts sprachen zu ihm so deutlich wie mit Worten.
Pyper rausperte sich nervos, denn ihm stand nichts
Geringeres bevor, als seinem Kapitan Befehle zu geben.
«Riemen bei!«Er blickte auf den kleinen Kompa?.»Rudert an!»
Mit dem Rucken gegen die Bordwand gelehnt, sa? der verwundete Marinesoldat auf dem Boden des Bootes und blinzelte zu Viola Raymond auf. Wie alle anderen nannte er sie in Gedanken nur» Die Lady des Kapitans«, und das hatte einen guten und respektvollen Klang. Sie war gut zu ihm, hatte uber sein verletztes Bein gewacht, besser als jeder Schiffsarzt, und war sanft wie ein Engel. Die Sonne strahlte so hell um die Krempe ihres Hutes, da? er ihr Gesicht nicht erkennen konnte, aber er sah die Schmutzflecken auf ihrem Kleid und an ihren Schuhen, die sie sich beim Einsteigen zugezogen hatte. Wieder scho? der Schmerz durch sein Bein, und er suchte muhevoll eine andere Stellung.
«Wie geht's, Billyboy?«fragte sie.
Er schnitt eine Grimasse.»La?t sich aushallen, Ma'am. Nur ein Krampf.»
Der andere Verwundete, Evans, sagte nichts. Er betrachtete die Knochel der Frau unter dem Saum ihres Kleides und stellte sich das glatte Bein daruber vor. Dann dachte er an seine Frau in Cardiff und fragte sich, wie sie ohne ihn wohl zurechtkam. Sie war eine gute Frau und hatte ihm vier hubsche Tochter geboren. Er schlo? die Augen und lie? sich in Schlaf sinken.
Zu Pypers Fu?en vergewisserte Blissett sich, da? Pulver und Geschosse trocken untergebracht waren, und sah dann den schlafenden Evans an. Plotzlich erkannte er so klar, als ob eine Stimme es ihm ins Ohr geschrieen hatte: Evans lag im Sterben. Die Erkenntnis erschreckte ihn, und er wu?te nicht, warum. Blissett hatte viele sterben sehen. In Schlachten, in Schlagereien oder einfach, weil sie von der einen oder anderen Krankheit befallen worden waren. Doch das Gesicht von Evans sehen und wissen, was mit ihm geschah, war wie das Geheimnis eines anderen aufzudecken, und das beunruhigte ihn zutiefst.
Hinter Bolitho sa? der Amerikaner Jenner und hob und senkte muhelos seinen Riemen. In Gedanken befand er sich auf einer seiner vielen eingebildeten Reisen. Wenn er abgemustert hatte, wollte er sich eine Farm in Neuengland kaufen, meilenweit von allen anderen entfernt. Und sich dort mit einem Madchen niederlassen. Er versuchte, sich ein Bild von ihm zu machen, und begann, sich in seiner Vorstellung eine vollkommene Gefahrtin zu schaffen. Der nachste war Orlando, der seinen Riemen unbeholfen, aber genau bediente, indem er den Takt von den anderen ubernahm. Er duckte sich, als Miller uber ihn hinwegstieg, um seinen Platz im Bug einzunehmen. Seine Arbeit am Segel hatte Miller bis zur nachsten Ruhepause aufgeschoben. Denn da nur funf Riemen eingesetzt waren, wurde ihre ganze Kraft gebraucht. Miller legte sich ins Zeug und grinste zum Himmel auf. Es war wie ein Kampf, und fur Jack Miller war das Speise und Trank in einem. Und so ging es weiter. Unter erbarmungslosem Glanz oder teilweise durch niedrigen Dunst verhullt, krochen die beiden Boote wie unansehnliche Kafer uber das Wasser. Die Manner an den Riemen wechselten sich ab, die Ration Schiffszwieback und ein Brocken Salzfleisch wurden ausgegeben und mit einem Becher Wasser hinuntergespult. Die Nacht brachte Erleichterung von der qualenden Hitze; ihre Bemuhungen, stetig vorwarts zu kommen, wurden unverandert fortgesetzt.
Mit schmerzendem Rucken von dem ungewohnten Rudern und mit von Blasen bedeckten Handen sa? Bolitho an der Pinne. Violas Kopf ruhte auf seinen Knien. Einmal griff sie nach ihm und stohnte leise im Schlaf, als Bolitho ihr das Haar vom Mund fortstrich.