Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander (читать полностью бесплатно хорошие книги txt) 📗
Partridge rausperte sich und hielt seine machtige Taschenuhr vors Auge.»Sie gibt Signal, da? sie durch ist, Sir. Beinahe funfzehn Minuten diesmal.»
Broughton warf dazwischen:»Ich hoffe, Ihre Zweiunddrei?ig-pfunder sind ihr Futter wert. «Er lachelte; die straff von den gleichma?igen Zahnen we ggezogenen Lippen verrieten, welche Anstrengung ihn das kostete.
Aber Bolitho hatte andere Dinge im Kopf. Funfzehn Minuten, in denen das Schiff nochmals einem gnadenlosen Artilleriebeschu? ausgesetzt war. Die spanischen Kanoniere brauchten nicht einmal die Erhohung ihrer Geschutze zu andern. Sie brauchten nur abzuwarten, bis ein Schiff nach dem anderen uber diesen Streifen offenen Wassers segelte, und dann zu feuern. Auch gegen die Sonne war das so leicht wie Huhner vom Ast zu schie?en.
«Ich schlage vor, Sie signalisieren dem Geschwader >Aktion ein-stellen<, Sir. «Er hatte ganz leise gesprochen, aber Broughton fuhr hoch, als hatte er ihn groblich beschimpft. Rasch sprach Bolitho weiter:»Unabhangige Operationen zur Unterstutzung der Landungskorps waren…»
Weiter kam er nicht.
«Niemals! Bilden Sie sich ein, ich kneife vor ein paar lausigen
Dons? Bei Gott, ich dachte, Sie hatten ein bi?chen mehr Mumm im Leibe!«Wutend, fast verachtlich starrte er Bolitho an.
Der sah an ihm vorbei und rief:»Fock setzen, Mr. Keve rne! Dann Bramsegel!«Fest sah er dem Leutnant in die schreckgeweiteten Augen.»So schnell wie moglich!»
Die Manner schwarmten an den Webeleinen hoch, und Bolitho schritt absichtlich langsam zur Achterdecksreling. Er wu?te, da? Broughton hinter ihm herstarrte, aber das war ihm egal. Broughton hatte seine Entscheidung getroffen, und dem Befehl mu?te er gehorchen. Aber die Euryalus war sein Schiff, und er wurde sie nach bestem Konnen einsetzen; Broughton mochte denken, was er wollte.
Die gro?e Breitfock bauschte sich knallend, und der Druck des Windes warf die Manner durcheinander. Gischt spruhte uber die Gali-onsfigur und den Kluverbaum.
«Voll und bei!«rief er Partridge zu.
«Voll und bei, Sir. West zu Nord liegt an.»
Die dunkle Landzunge glitt schneller vorbei; prall stand die Leinwand im Sonnenlicht. Hoch uberm Deck arbeiteten die Toppmatrosen wie die Teufel, und durchs Teleskop sah Bolitho, wie ein paar MarineInfanteristen auf der Landzunge Freudensprunge vollfuhrten und die Musketen schwenkten, als das Flaggschiff die Landenge passierte.
Die andere Seite der Bucht lag jetzt in flimmerndem Dunst, oder vielleicht war es auch der Qualm von der Tanais. Wie blau das Wasser unter diesem fernen Landstreifen war! Blau und unerreichbar. Bolitho fuhr sich mit der Zunge uber die knochentrockenen Lippen.
«Mein Gott, mein Gott!«flusterte Lucey. Wahrscheinlich wu?te er gar nicht, da? er etwas sagte.
Im Vorschiff stand Meheux, einen Fu? leicht auf das Gestell der Karronade gestutzt, und spahte in die Bucht. Er hatte den Degen gezogen, und jetzt hob er ihn ganz langsam uber den Kopf. Reglos stand er in der Sonne, und Bolitho erinnerte sich an ein Kriegerdenkmal, das er irgendwann in Exeter gesehen hatte.»Ziel in Sicht, Sir!«rief Me-heux und schwenkte dabei leicht den Degen.
Bolitho spurte die starre, fast korperlich greifbare Spannung, die ihn umgab.»Feuer frei!«rief er durch die hohlen Hande. Von den Matrosen, die dort hinter ihren Geschutzen hockten, sahen einige zu ihm auf, maskenhaft unbewegt. Er zwang seine Lippen zu einem Grinsen und schrie:»Ruft hurra, Jungs! Zeigt ihnen, da? wir kommen!»
Eine Sekunde lang geschah gar nichts, und wahrend das Schiff gleichma?ig an den letzten Klippen vorbeipflugte, dachte Bolitho, sie waren zu verzweifelt, um zu reagieren. Aber dann sprang ein Matrose auf einen Zwolfpfunder und brullte:»Ein Hurra fur die Euryalus! Und Hurra unserm Dick!»
Wildes Geschrei fegte uber das Deck, die Manner in den vollgestopften unteren Batterien nahmen es auf, und Bolitho schwenkte den Hut fur sie alle. Jetzt ging der Irrsinn wieder los. Bis zum nachsten Mal. Und immer wieder.
«Feuer, wenn Ziel erfa?t!«Meheux' Stimme ging in dem Tohuwabohu fast unter.
Die ersten Kanonen im Vorschiff brullten auf. Bolitho packte die Reling. Das harte Bellen der Oberdeckgeschutze ging im ohrenzerrei?enden Drohnen der Zweiunddrei?igpfunder fast unter. Qualm stieg aus den unteren Stuckpforten auf, wirbelte um die Decksgange nach oben; Bolitho rieb sich die tranenden Augen und spahte auf das ferne Kastell, um das die Wassersaulen der ersten Salve hochsprangen. Was da wie wei?er Puder aussah, war Schutt von der Festungsmauer, der einzige Schaden, den das Geschwader bisher angerichtet hatte.
«Lieber Gott«, murmelte Keverne heiser,»das ist ja, als wolle man eine Eiche mit 'nem Zahnstocher fallen!»
Das Feuer ging in Dreiergruppen weiter, die Kanonen glitten zuruck, wurden ausgeputzt und neu geladen; die Manner waren schon halb betaubt und arbeiteten ganz mechanisch. Putzen, laden und ausrennen — sonst gab es uberhaupt nichts mehr: weiterfeuern, ganz gleich, was kam.
Meheux schritt jetzt die Reihe der Kanonen ab, manchmal tippte er mit dem Degen auf ein Verschlu?stuck oder deutete auf eine bestimmte Stelle des Forts, um dem betreffenden Geschutzfuhrer einen Hinweis zu geben. Sein Gesicht war vor Konzentration verzerrt.
«Wo ist die andere Abteilung Marine-Infanterie?«fragte Broughton.»Hauptmann Giffard mu?te doch inzwischen den Dammweg erreicht haben.»
Bolitho antwortete nicht. Der Kopf drohnte ihm vom Kanonendonner, seine Augen bluteten beinahe vor Qualm und Anstrengung; er konzentrierte sich ganz auf das Fort. Er konnte den dunklen Flecken unter der runden Mauer erkennen, wo der Eingang von See lag, und auch die Doppellinie viereckiger Fenster, wie Schie?scharten, die anscheinend um den ganzen Bau gingen.
Da blitzte es in zweien dort oben grell auf, und er bildete sich ein, die Kugel uber die See direkt auf sich zufliegen zu sehen. Ein dumpfer Schlag gegen die untere Bordwand — die andere Kugel jagte weit vorn eine Schaumfontane hoch.
Er blickte nach achtern. Das Schiff hatte die Bucht fast zur Halfte uberquert; da alle Segel gut zogen, mu?te es in funf Minuten die andere Landzunge erreicht haben.
Wieder die unheilverkundenden Feuerzungen, und diesmal schmetterten die Kugeln in die Bordwand der Euryalus wie Eisenhammer in eine holzerne Schachtel.
Drei Treffer; wie schwer, das wu?te er noch nicht. Aber das Kastell war au?erlich unbeschadigt, nur an ein paar Stellen lag etwas Schutt.
Achteraus konnte er erkennen, da? die Masttopps der Valorous die Landzunge rundeten, und konnte sich vorstellen, was Fourneaux denken mochte, wenn er das Flaggschiff im Feuer der schweren Festungsgeschutze liegen sah.
«Kann ich der Valorous signalisieren, da? sie sich heraushalten soll,
Sir?»
«Heraushalten?«Broughtons starre Augen waren jetzt auf ihn gerichtet.»Haben Sie >heraushalten< gesagt?«Ein Muskel zuckte auf seiner Wange, als die untere Batterie wieder losdonnerte und die herausschie?enden Mundungsflammen den Qualm nach Lee trieben.
Wortlos musterte Bolitho sekundenlang den Admiral. Da? sein Geschwader nicht imstande war, dem Kastell ernsthaften Schaden zuzufugen, schien ihn vollig aus der Fassung zu bringen; oder vielleicht war er auch nur von dem unaufhorlichen Kanonendonner betaubt.
Bolitho nahm jetzt keine Rucksicht mehr.»Hier werden Schiffe ohne Sinn und Zweck geopfert, Sir. «Er fuhr zusammen, denn die Planken unter seinen Fu?en ruckten heftig. Wieder ein Treffer, irgendwo unter dem Achterdeck.
Doch da blies der Wind auf einmal den Qualm vom Deck; jetzt erst konnte er Broughtons Gesicht richtig sehen und erkannte blitzartig, da? er sich die ganze Zeit geirrt hatte: Broughton hatte ihn gar nicht testen oder sich ein Bild uber seine taktischen Fahigkeiten machen wollen! Wie ein Eiswassergu? uber den Rucken kam ihm die Erkenntnis, da? Broughton keine Ahnung hatte, was er tun sollte! Sein Plan war zu starr, und wenn er nicht funktionierte, hatte er keine Alternative parat!