Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander (читать полностью бесплатно хорошие книги txt) 📗
Das Land hatte andere Farben bekommen, wahrend die Sonne sich hoher uber ihr Spiegelbild im Wasser hob: das Purpurrot war zu einem matten Grunbraun geworden, die grauen Klippen und Schluchten zeichneten sich deutlich ab, wie auf einem Holzstich in der Gazette. [28] Aber im gro?en und ganzen hatte sich der erste Eindruck nicht verandert: baumlos, ohne ein Zeichen von Leben, die Luft bereits flirrend vor Hitze oder vielleicht auch vor Staub, den der stetige Landwind aufwirbelte. Der westliche Arm der Bucht wurde von dem anderen, schnabelformigen, noch im tiefen Schatten liegenden Arm uberschnitten. Genau voraus lag ein runder Hugel, dessen Vorderseite durch einen Erdrutsch ins Meer gesturzt war. Die Entfernung betrug etwa vier Meilen, doch konnte Bolitho sehen, wie die See in wei?en Federn auf dem steinigen Strand auflief und sich einen kleinen Priel an diesem trubseligen Kustenstrich suchte.
Die Zeus wurde jetzt in Hohe der nachstgelegenen Landzunge sein und bei dieser klaren Luft gute Sicht auf das Fort haben. Rattray wurde sich inzwischen schon selbst ein Bild davon machen konnen, was ihn in den nachsten Stunden erwartete.
«Die Zeus soll anfangen, die Marine-Infanterie zu landen!«befahl Broughton. Dabei sah er Calvert an.»Kummern Sie sich um das Signal und versuchen Sie, sich wenigstens ein bi?chen nutzlich zu ma-
chen!»
Und etwas ruhiger zu Bolitho:»Sobald Rattrays Boote weg sind, signalisieren Sie: >Geschwader in Linie halsen!< Wir haben dann den au?eren Verteidigungsgurtel gesehen und konnen den Angriff kalkulieren.»
Bolitho nickte. Das klang vernunftig. Halsen und auf Gegenkurs zurucksegeln war weniger gefahrlich, als jetzt gleich anzugreifen, da sie Schiff um Schiff die Offnung der Bucht kreuzen mu?ten. Wenn sie beim ersten Blick auf das Fort merkten, da? die Plane und die fluchtigen Notizen nicht stimmten, dann wurden sie immer noch Zeit haben, von der Kuste freizukommen. Aufjeden Fall konnte Rattray, wenn die Zeus gehalst hatte und wieder Fuhrungsschiff war, hoffentlich ein wachsames Auge auf Land und Wind haben. Wenn der Wind plotzlich auffrischte oder ausscho?, [29] dann wurden sie allesamt reichlich zu tun haben, um von den Felsen klarzukommen, und kaum Zeit finden, sich auf ein Artillerieduell einzulassen. Er beobachtete, wie die Signalflaggen zur Rah aufstiegen und sich im Winde entfalteten; Sekunden spater sah er, wie es daraufhin an Deck der Zeus lebendig wurde und sich immer mehr Leinwand an den Rahen bauschte.
Bis jetzt hatte jeder Kommandant genau nach Broughtons Plan gehandelt. Rattray wurde vielleicht eine Stunde brauchen, bis alle seine Boote weg waren, und inzwischen konnten die anderen Schiffe vor der Bucht auf ihren Positionen bleiben.
Bolitho sah nach oben, denn von dort kam der Ruf:»Da ist die Coquette, Sir! In Luv, zwei Strich achterlicher als dwars!»
Bolitho zupfte an seinem Hemd. Es war schon ganz na?geschwitzt, und in Kurze wurde es noch erheblich hei?er sein. Er mu?te trotz seiner truben Gedanken lacheln: hei?er in mehr als einer Hinsicht.
Partridge hatte das fluchtige Lacheln bemerkt. Er stie? den Leutnant in die Seite und flusterte:»Sehen Sie das? Der Alte ist so kuhl wie'n Zofenku?!»
Leutnant Lucey, normalerweise ein munterer, etwas leichtsinniger junger Mann, hatte Angst vor dem Morgenrot gehabt und vor dem, was es ihm bringen mochte. Als er sah, wie der Kommandant vor sich hin lachelte, wurde ihm ein bi?chen besser.
Da waren sie auch schon in Hohe der ersten Landzunge. Nach der langen und langsamen Anfahrt schienen alle uberrascht zu sein, da? sie schon da waren. Als sie die Landspitze achteraus hatten, sah er das machtige Fort blaugrau in der Morgensonne liegen und fuhlte sich sonderbar erleichtert: es war genauso, wie er es sich vorgestellt hatte. Ein massiver, kreisrunder Bau, innen ein kleinerer Turm mit einem Fahnenmast, der in der Sonne wei? glanzte. Aber es wehte noch keine Flagge daran, und auch sonst deutete nichts darauf hin, da? Alarm gegeben worden war. Alles sah so still aus, da? es ihn an ein gro?es, einsames Grabmal erinnerte.
Unbeirrt kreuzte das Schiff die trage Kustendunung, und er konnte jetzt tiefer in die Bucht hineinsehen. Ein kleines Fahrzeug lag vor Anker, wahrscheinlich eine Brigg, und ein paar Dhaus. Wie mochten Giffard und seine Marine-Infanteristen wohl vorangekommen sein? Wurden sie den Fahrdamm einnehmen konnen?
Er sah, wie die Restless vorsichtig seewarts kreuzte. Gott sei Dank hatte Poate, ihr junger Kommandant, zwei Lotgasten in die Rusten beordert. Der Meeresboden fiel hier sehr steil ab, aber es war immerhin moglich, da? jemand bei der letzten Kartenkorrektur eine Sandbank oder ein Riff ubersehen hatte.
Da die andere Landzunge weiter vorstie?, passierten sie sie in wesentlich kurzerer Entfernung, und als sie den stillen Bau des Forts verdeckte, rief Keverne aus:»Sehen Sie mal, Sir! Da ist jemand wach!»
Bolitho nahm ein Teleskop und stellte es auf die Schrage der schnabelformigen Landzunge ein. Zwei Reiter, reglos wie aus Stein; nur manchmal schlugen die Pferde mit den Schweifen oder die langen wei?en Burnusse wehten im Wind. Sie sahen auf die Schiffe hinunter, die da weit vor ihnen langsam im zunehmenden Sonnenlicht segelten. Dann, wie auf Signal, wendeten beide ihre Pferde und verschwanden hinter der Kante, ohne Eile, ohne Zeichen von Erregung.
«Jetzt sagen sie denen Bescheid, da? wir da sind, Jungs«, bemerkte jemand.
Bolitho warf einen Blick auf Broughton, doch der starrte auf den leeren Abhang, als ob die beiden Reiter noch da waren.
Bis auf die normalen Gerausche von See und Wind war alles ruhig-zu ruhig; das Gefuhl, auf etwas zu warten, war starker geworden, und das machte nervos. Giffard hatte sogar die Musiker seiner MarineInfanteristen mitgenommen; Bolitho dachte fluchtig daran, den Schiffsfiedler irgendeinen gelaufigen Shanty spielen zu lassen, den die
Matrosen mitsingen konnten. Aber Broughton schien nicht in der Stimmung fur solche Zerstreuung zu sein, und so lie? er den Gedanken wieder fallen.
Von Broughtons geradem Rucken ging sein Blick zu ein paar Matrosen bei den Neunpfundern. Sie standen und starrten uber die Netze auf die langsam voruberziehende Mauer aus Felsen und Steinen. Wie seltsam das den meisten vorkommen mu?te! Sie wu?ten vielleicht nicht einmal, wo sie sich befanden, oder warum sie wegen eines so armseligen Hafendorfes ihre gesunden Knochen, ja sogar ihr Leben riskieren mu?ten. Und Broughton — der hatte wahrscheinlich ebenso seine Zweifel daruber, warum er uberhaupt hier war, doch konnte er sie und seine Spannung mit niemandem teilen.
Bolitho drehte sich um — er wollte sehen, was Draffen machte; aber der war bereits unter Deck gegangen und wollte anscheinend das Weitere den Experten uberlassen. Langsam schritt er wieder nach Luv hinuber. Im Kriege, das wu?te er aus bitterer Erfahrung, gab es keine Experten. Man horte nie auf zu lernen — es sei denn, man fiel.
«Die Zeus ist dicht unter der Landzunge, Sir!«Bolitho ging zur Luvseite des Achterdecks.»Danke, Mr. Tothill. «Es kostete ihn Anstrengung, so gelassen und ruhig zu sprechen. Das Schlu?manover: das Sammeln des Geschwaders, dann das Halsen und nochmalige Absegeln des gleichen leeren, durren Kustenstrichs hatten viel langer gedauert als gedacht. Das Absetzen von Rattrays Booten war ziemlich schnell gegangen; aber als sie etwas tiefer in die Bucht kamen, war deutlich zu sehen, da? die Manner an den Riemen gro?e Schwierigkeiten hatten, die uberladenen Fahrzeuge zu den vorgesehenen Landestellen zu bringen. Dicht unter der Wasseroberflache lagen Klippen, und au?erdem war da eine bisher unbekannte Grundstromung, die die Boote herumwarf wie Blatter in einem Muhlteich, wobei die Riemen zeitweise vollig aus dem Takt gerieten und wild in der Luft fuchtelten.
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das halbamtliche Marine-Journal
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rechtsdrehte, also in diesem Falle nach Norden