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Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio - Kent Alexander (книги полностью TXT) 📗

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Er wurde wieder sachlich.»Beenden Sie dieses Kommen und Gehen so bald wie moglich, Mr. Palliser. Ich habe der Rosario geraten, nach Rio zuruckzusegeln. Ihr Kapitan wird seine Version der Geschichte dem Vizekonig mitteilen konnen, wahrend es mir nicht moglich ist, ihm meine Version zu erzahlen. Er wei? jetzt, da? er den Anschein der Neutralitat in Zukunft nicht so einseitig auslegen kann. «Als Palliser und Bolitho aufstanden, sagte er:»Ich furchte, wir sind durch unser plotzliches Auslaufen mit dem Trinkwasser knapp dran. Mr. Codd konnte zwar Gemuse, Yamwurzeln und Fleisch in Mengen kaufen, aber Wasser mussen wir woanders finden.»

Au?erhalb der Kajute sagte Palliser:»Sie sind vorubergehend vom Dienst befreit, Mr. Bolitho. Auch was junge Menschen aushallen konnen, hat seine Grenzen. Gehen Sie in Ihre Kammer, und ruhen Sie sich aus, so gut Sie konnen. «Er sah, da? Bolitho zogerte.»Nun?»

«Ich — ich uberlege. Was wird aus Egmont?«Bolitho versuchte, seiner Stimme nichts anmerken zu lassen.»Und aus seiner Frau?»

«Egmont war ein Narr. Durch sein Schweigen unterstutzte er Garrick. Garrick versuchte, den Franzosen auf Martinique gegen uns zu helfen, und dadurch wird Egmonts Schweigen noch belastender. Wenn er einen Rest Verstand hat, wird er dem Kommandanten alles sagen, was er wei?. Ohne unser Dazwischentreten ware er jetzt tot. Auch das wird er sich hoffentlich uberlegen.»

Palliser wandte sich zum Gehen, und seinen Bewegungen war wenig von den Strapazen anzumerken, denen auch er ausgesetzt gewesen war. Er trug noch immer sein altes Bordjackett, das jetzt durch einige Blutflecken auf der rechten Schulter dort, wo sein Sabel geruht hatte, zusatzlich gezeichnet war. Bolitho sagte:»Ich mochte Stockdale zur Beforderung vorschlagen,

Sir.»

Palliser kam zuruck und zog den Kopf unter einem Decksbalken ein, um Bolitho ins Gesicht zu sehen.»So, das mochten Sie wohl?»

Bolitho holte tief Luft. Das klang wieder nach dem alten sarkastischen Palliser. Doch der sagte:»Da bin ich Ihnen bereits zuvorgekommen. Wirklich, Mr. Bolitho, Sie sollten etwas schneller schalten.»

Bolitho lachelte trotz der Schmerzen in seinen Gliedern und des Durcheinanders in seinem Herzen, das eine Dame namens Aurora mit einem Ku? verursacht hatte. Er begab sich zur Messe, wo Poad ihn wie einen Helden begru?te.»Nehmen Sie Platz, Sir. Ich hole Ihnen etwas zu essen und zu trinken. «Er trat zuruck und sah ihn strahlend an.»Wir sind froh, Sie wiederzusehen, Sir, und das ist die reine Wahrheit.»

Bolitho lehnte sich im Sessel zuruck und erlaubte es, da? ihn die Mudigkeit nun ubermannte. Uber ihm und um ihn herum lief das Bordleben auf vollen Touren, er horte geschaftig eilende Fu?e und das Knarren durchgeholter Taljen.

Eine Aufgabe war erledigt, die nachste stand bevor. Matrosen und Seesoldaten waren es gewohnt, Befehle auszufuhren und ihre Gedanken fur sich zu behalten. Druben, einige Kabellangen auf dem dunkler werdenden Wasser entfernt, waren auf der Brigg ebenfalls Seeleute eifrig bei der Arbeit. Morgen sollte die Rosario einen sicheren Hafen ansteuern, wo ihre Geschichte von Mund zu Mund gehen wurde. Man wurde auch uber den schweigsamen Englander und seine schone junge Frau reden, die so viele Jahre unauffallig unter ihnen gelebt hatten und nach au?en hin mit ihrem selbstgewahlten Exil zufrieden schienen. Auch von der Fregatte mit ihrem wunderlichen Kommandanten, der nach Rio gekommen war und sich bei Nacht wie ein Meuchelmorder davongeschlichen hatte, wurde die Rede gehen.

Bolitho blickte zu den Decksbalken empor und horchte auf die Gerausche des Schiffes und der See, die gegen die Bordwand klatschte. Er fuhlte sich vom Schicksal begunstigt, denn er hatte Kampf, Verschworung und Verrat uberlebt, und bald wurde auch sie an Bord sein.

Als Poad mit einem Teller Fleisch und einem Krug Madeirawein zuruckkam, fand er den Leutnant fest eingeschlafen. Er hatte die Beine weit von sich gestreckt, Kniehose und Strumpfe wiesen Locher auf und dunkle Flecken, die wie geronnenes Blut aussahen. Die Haare hingen ihm wirr in die Stirn, und die Hand, mit der er am Morgen den Sabel so fest gepackt hatte, war wund.

Im Schlaf wirkte der Dritte Offizier noch junger, dachte Poad. Jung und — in diesem friedvollen Augenblick — wehrlos.

Bolitho ging ruhelos auf dem Achterdeck auf und ab, wobei er aufgeschossenem Tauwerk und Belegklampen ohne sonderliche Muhe auswich. Es war kurz vor Sonnenuntergang und nun einen vollen Tag her, seit sie sich von der schwer mitgenommenen Rosario getrennt hatten. Jetzt lag sie schon weit achteraus und wirkte mit ihrem muhsam aufgerichteten Notmast erbarmlich und mi?gestaltet wie ein Kruppel. Mit diesem armlichen Aufgebot an Segeln wurde sie einige Tage bis zum nachsten Hafen benotigen.

Bolitho warf einen Blick auf das Skylight der Kajute und sah den Widerschein des von unten kommenden Lichtes auf dem Besanbaum. Er versuchte, sich den Speiseraum der Kajute mit Aurora vorzustellen, und wie der Kommandant den Tisch mit seinen beiden Gasten teilte. Wie fuhlte sie sich jetzt? Wieviel mochte sie von Anfang an gewu?t haben?

Bolitho hatte sie nur kurz gesehen, als sie mit ihrem Mann und einigen Gepackstucken von der Brigg herubergebracht worden war. Sie hatte bemerkt, da? er von der Laufbrucke aus zusah, und hatte ihm wohl mit ihrer behandschuhten Rechten zuwinken wollen, doch die Geste war in einem kurzen Zucken erstorben: ein Zeichen der Ergebung, ja der Verzweiflung.

Er schaute zu den angebra?ten Rahen hinauf. Die obersten Segel standen schon dunkler als die unteren gegen die hellen Schafchenwolken, die sie den ganzen Tag begleitet hatten. Sie steuerten Nordnordost-Kurs und hielten sich gut frei vom Land, um neugierige Blicke oder einen weiteren Verfolger zu meiden.

Die Deckswache erledigte ihre ublichen Aufgaben, prufte den Trimm der Rahen und ob stehendes und laufendes Gut richtig durchgesetzt war. Von unten horte er das klagliche Kratzen der Fidel des

Shantyvorsangers und die Stimmen der Manner, die auf ihr Abendessen warteten.

Bolitho hielt in seinem ruhelosen Spaziergang inne und griff in die Hangemattsnetze, um sich gegen die Schlinger- und Stampfbewegungen des Schiffes zu wappnen. An Backbord war die See schon viel schwarzer, und die Dunung, die von schrag achtern anrollte, sie hob und dann unter ihrem Kiel weiterlief, lag schon im Halbdunkel.

Er blickte das Oberdeck entlang, auf die in regelma?igen Abstanden festgezurrten Kanonen hinter ihren geschlossenen Stuckpforten, durch die schwarzen Wanten und das sonstige Tauwerk bis hin zur bleichen Schulter ihrer Galionsfigur. Er zitterte, als er sich vorstellte, da? es Aurora sei, die so in die Ferne griff; aber nach ihm und nicht nach dem Horizont.

Irgendwo lachte jemand, und er horte Midshipman Lovelace einen Mann der Wache anfahren, der alt genug war, um sein Vater zu sein. Weil Lovelace eine sehr hohe Stimme hatte, klang es besonders komisch. Lovelace hatte von Palliser Strafdienst zudiktiert bekommen, weil er wahrend der Hundewachen allerlei Unsinn angestellt hatte, statt sich mit seinen navigatorischen Aufgaben zu beschaftigen.

Bolitho erinnerte sich an seine eigenen fruhen Versuche, all das zu lernen, was der Steuermann ihm in muhsamen Lektionen eingetrichtert hatte. Das lag nun alles weit zuruck: die Dunkelheit im muffigen Orlopdeck und der Versuch, die Zahlen und Berechnungen beim flak-kernden Licht eines Kerzenstummels, der in einer alten Austernschale stand, zu lesen.

Und doch war seitdem erst wenig Zeit vergangen. Er warf einen Blick auf die vibrierende Leinwand, und dabei wurde ihm wieder einmal bewu?t, wie schnell er diesen gro?en Schritt getan hatte. Wie lange war es her, da? er noch fast vor Angst erstarrt war, weil man ihm das erstemal die Wache anvertraut hatte? Jetzt fuhlte er sich vollig sicher, aber er wu?te auch, wann es an der Zeit war, den Kommandanten zu rufen. Aber niemanden sonst. Er konnte sich nicht mehr einem Wachfuhrer oder treuen Steuermannsmaaten zuwenden und ihn um Rat oder Hilfe bitten. Diese Zeiten waren voruber, es sei denn, er machte etwas furchterlich falsch. Das wurde ihn aber all den Respekt kosten, den er seither errungen hatte.

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