Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander (читать полностью бесплатно хорошие книги txt) 📗
Sei dem wie ihm wolle; der blutige Rucken des Mannes war Bolitho eine grimmige Mahnung, Sawle in Zukunft standig im Auge zu behalten. Wenn Meheux, der lustige, rundgesichtige Zweite Offizier, oder Weigall, der Dritte, an Stelle von Sawle gewesen waren, dann ware es jedenfalls nicht so weit gekommen. Meheux war beliebt wegen seines grobschlachtigen Nordlandhumors. Er ruhmte sich mit gutem Grund, da? er genauso klettern und splei?en konne wie jeder Matrose, und so hatte er schlimmstenfalls zu dem Mann gesagt:»Mal sehen, wer's besser macht!«Weigall, der den Korperbau, aber leider auch die Intelligenz eines Preisboxers besa?, hatte den Mann mit seiner massiven Faust auf die Planken geschmettert und dann die ganze Geschichte vollig vergessen. Weigall war bei seiner Division nicht unbeliebt, aber meistens ging man ihm aus dem Wege. Er hatte das mittlere Geschutzdeck unter sich und war unglucklicherweise seit einem Gefecht mit einem Blockadebrecher sehr schwerhorig. Manchmal bildete er sich ein, die Leute redeten hinter seinem Rucken uber ihn, und dann setzte es beim geringsten Anla? Strafexerzieren.
Bolitho lehnte sich im Sessel zuruck und starrte achteraus auf das blasige Kielwasser der Euryalus, die in dem steifen Nordwest stetige Fahrt machte.
Er schenkte sich noch Kaffee ein und verzog das Gesicht. Bald wurde das Schiff drehen und mehr Segel setzen, denn das Geschwader mu?te moglichst rasch wieder gefunden werden. An diesem einen Nachmittag und Abend relativer Freiheit hatte er Zeit gehabt, uber die Manner nachzudenken, mit denen er am engsten zusammenarbeiten mu?te, die aber durch Rang und Stellung von ihm getrennt waren. Broughton lie? ihn vollig in Ruhe; Calvert hatte verlauten lassen, der Admiral sa?e entweder uber den Karten oder lese immer wieder seine Geheimorder durch, als suche er etwas darin, das ihm bisher entgangen sei.
Es klopfte, und der Posten drau?en brullte:»Midshipman der Wache, Sir!»
Es war Drury. Der ging Strafwache wegen der Mi?helligkeiten, die er mit seinem Leutnant wegen der Laterne gehabt hatte.
«Mr. Bickford la?t Sie mit allem Respekt bitten, Sir, an Deck zu kommen.»
Bolitho lachelte uber die Neugier des jungen Mannes, dessen Blicke eifrig in der Kajute herumhuschten, damit er nachher in der wesentlich bescheideneren Fahnrichsmesse eine moglichst detaillierte Beschreibung liefern konnte.
«Und warum, Mr. Drury? Das Beste haben Sie anscheinend vergessen.»
«Ein Segel, Sir«, erwiderte der Junge verwirrt.»In Nordwest.»
Bolitho sprang auf.»Danke. «Er eilte zur Tur.»Ich konnte ja Trute Bescheid sagen, da? er Sie spater in meiner Kajute herumfuhrt, Mr. Drury. Aber im Moment haben wir zu tun.»
Errotend rannte Drury hinter ihm her, und so kamen sie zusammen auf Deck an.
Bickford war der Vierte Offizier. Er nahm seine Dienstpflichten sehr ernst, war aber vollig humorlos.
«Der Ausguck hat soeben ein Segel gemeldet, Sir. Im Nordwesten.»
Bolitho ging nach Luv hinuber und suchte die Kimm ab. Sie war hart und silberwei? wie eine Sabelschneide. Doch der Wind wehte stetig; wenigstens etwas. Immerhin konnte er bis zum Morgen erheblich auffrischen. Dann wurde es lange dauern, bis sie wieder beim
Geschwader waren und mit Draffen an Bord der Restless Verbindung aufnehmen konnten.
Bickford hielt Bolithos Schweigen fur Unsicherheit.»Meiner Uberzeugung nach ist es die Coquette, Sir«, sagte er mit leicht erhobener Stimme, um bei Drury und einem zweiten dabeistehenden Midship-man Eindruck zu schinden.»Das ware am wahrscheinlichsten.»
Bolitho hob den Kopf und starrte auf die gebauschten Marssegel oben, den heftig knatternden Windanzeiger. Wie eine Riesenpeitsche. Er dachte an die schwindelerregende Kletterei, das furchtbare Vibrieren der Wanten.
«Soso, Mr. Bickford. Danke sehr.»
Der Leutnant nickte bestimmt.»Schon weil es ein einzelnes Schiff ist und so zuversichtlich herankommt.»
Bolitho sah immer noch in die vibrierenden Rahen. Eben kam Ke-verne die Kampanjeleiter herauf und eilte zu ihnen.
«Mr. Keverne, entern Sie mit einem Glas auf. So schnell Sie konnen. Da ist ein Schiff an Backbord — vielleicht allein. «Er warf Bick-ford einen raschen Blick zu.»Vielleicht auch nicht.»
Bickford und die anderen erstarrten plotzlich und traten zuruck — also mu?te Broughton an Deck gekommen sein.
«Ah, Bolitho — warum diese Aufregung?»
«Ein Segel, Sir«, sagte Bolitho und deutete uber die Finknetze zum Horizont.
«Hmhm. «Broughton wandte sich um und sah Keverne nach, der leichtfu?ig in die Wanten aufenterte.»Wer mag das sein?»
«Ich glaube«, sagte Bickford rasch,»da? es die Coquette ist, Sir.»
Ohne mit der Wimper zu zucken, sagte der Admiral zu Bolitho:»Wollen Sie bitte diesem Herrn klarmachen: wenn ich jemals in die schlimme Lage komme, da? ich eine vollig wertlose Ansicht brauche, wird er der erste sein, der es erfahrt.»
Bolitho lachelte, als Bickford in die Gruppe an der Reling zuruckwich.»Ich glaube, er hat Sie schon verstanden, Sir.»
Seltsam, da? sie alle au?erlich so ruhig waren, dachte er. Bestimmt hatte Broughton, der so tat, als interessiere ihn das Ganze nur beilaufig, den Kopf bereits voller Probleme und Kalkulationen. Ob er wohl diesmal den Flaggkapitan nach seiner Meinung fragen wurde?
Keverne kam die Pardune heruntergerutscht, landete platschend an Deck und eilte herbei. Auf seinem brunetten Gesicht arbeitete es erregt.»Kauffahrer, Sir. Aber gut bewaffnet, funfzig Geschutze, wurde ich sagen. Steht direkt vorm Wind, hat aber keine Bramsegel gesetzt. «Er merkte, da? Broughton ihn ungeduldig anstarrte, und schlo?:»Spanier, Sir. Kein Zweifel.»
Broughton bi? sich auf die Lippe.»Hol' ihn der Teufel!»
Bolitho dachte laut nach.»Selbst ohne Bramsegel konnten wir ihn nur schwer erwischen, Sir. Aber wenn wir ihn schnappen, bekommen wir vielleicht Informationen. «Broughtons steife Haltung verriet seine innere Spannung.»Informationen, die Sie weitergeben konnen, sofern Sie es fur richtig halten.»
Das sa?. Mit blitzenden Augen fuhr Broughton herum.
«Bei Gott, ich sehe direkt Sir Hugos Gesicht vor mir, wenn er mit leeren Handen zuruckkommt, wahrend wir ihm was Neues erzahlen konnen!«Er seufzte.»Aber es hat ja keinen Zweck. Bis Sie diese Elefantenkuh von Schiff gewendet haben, ist der Don schon halb zu Hause. Und eine lange Verfolgung, die mich noch weiter vom Geschwader wegbringt, kann ich mir nicht leisten.»
«Ich glaube, wir alle haben ein wichtiges Detail ubersehen, Sir«, erwiderte Bolitho und schlug die Faust in die Handflache.»In gewissem Sinne hatte Mr. Bickford gar nicht so unrecht. «Lachelnd blickte er zu den anderen hinuber. Bickford hielt sich im Hintergrund, als hatte er Angst vor einem Anschnauzer. Bolitho fuhr fort:»Der Don denkt, die Euryalus ist ein Franzose!«Er blickte Broughton an, der jetzt nicht mehr so zweifelnd und enttauscht, sondern ein bi?chen hoffnungsvoll aussah.»Warum auch nicht, Sir? Wie die Dinge liegen, kann doch niemand annehmen, da? sich ein einzelnes britisches Schiff hier im Mittelmeer herumtreibt. Und in der kurzen Zeit konnen sie noch gar nicht erfahren haben, da? wir von Gibraltar ausgelaufen sind.»
Broughton trat an die Netze und stieg auf einen Poller. Starr blickte er zur Kimm hinuber, als wolle er den Spanier beschworen, sich ihm zu zeigen.
«Schiff lauft immer noch vorm Wind, Sir«, rief der Ausguck herunter.
Broughton kam wieder und rieb sich das Kinn.»Sie mussen uns gesehen haben! So blind sind nicht mal die Dons.»
«Aber sowie wir Segel wegnehmen oder auf ihn zudrehen, wissen sie Bescheid!»
«Verdammt, Bolitho! Erst machen Sie mir Hoffnung, und dann zerschlagen Sie sie wieder!»
«Ich kann sie sehen, Sir! Zwei Strich vorlicher als querab!«Drury hing in den zitternden Wanten, ein Teleskop fest vorm Auge.
Bolitho nahm ein Glas aus der Halterung und balancierte es gegen die Schiffsbewegung aus. Dann sah er es ebenfalls: ein blasses Dreieck an der Kimm. Mit allen Segeln holte ihr Steuermann aus der frischen Brise heraus, was sie hergab.