Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien - Kent Alexander (читать книги онлайн бесплатно без сокращение бесплатно .txt) 📗
Doch kein Laut war zu vernehmen, nur das gewohnte Knarren der Takelage. Hatten die Meuterer alle Menschen an Bord der Eurotas umgebracht?
Allday flusterte:»Wenn jemand dort unten ist, Captain, mu? er glauben, auf dem Schiff sei die Holle ausgebrochen. «Bolitho starrte ihn betroffen an. Warum hatte er selbst nicht daran gedacht? Erst das Grauen, der brutale Terror der vergangenen Wochen, und jetzt der ohrenbetaubende Kampfeslarm. Kein Wunder, da? sie sich still verhielten. Er verharrte am Lukensull, Alldays plotzliche Befurchtungen und die Tatsache ignorierend, da? er sich vor dem Mondlicht deutlich abhob.
«Ahoi da unten!«Er wartete, horte aber nur den Widerhall seiner Stimme.»Wir sind von Ihrer Majestat Schiff
Tempest!»
Es schien endlos lange zu dauern und seine schlimmsten Befurchtungen zu bestatigen, bis ihm dann endlich aus dem Bauch des Schiffes ein wachsender Chor von Schreien und Schluchzern antwortete.»Schnell hinunter, Leute!»
Bolitho wartete, bis weitere Matrosen mit Laternen zur Luke geeilt waren, und kletterte dann mit ihnen in das nachste Deck hinunter. Neben einer weiteren verschlossenen Luke stand ein Stuhl aus der Offiziersmesse, mit einem Trinkgefa? in Reichweite, und kennzeichnete die Stelle, wo bis zum Augenblick ihres Angriffs ein Wachtposten gesessen hatte.
Wieder schoben sie schwere Balken beiseite und hoben den Lukendeckel: ein kleiner Laderaum, wohl fur Vorrate des Kapitans und der Offiziere des Schiffes benutzt. Unbeleuchtet und schlecht beluftet, war er von Wand zu Wand mit Menschen vollgepfercht. Bolitho schien auf einen dichten Teppich menschlicher Gesichter zu blicken, die sich entsetzt und verstort nach oben wandten: Manner und Frauen, verdreckt und heruntergekommen, im letzten
Stadium des Vegetierens.
Bolitho sprach so gelassen er konnte:»Furchten Sie sich nicht. Meine Leute werden fur Sie sorgen. «Sein kleines Kommando? Er wu?te nicht, wie viele gefallen oder verwundet waren. Bewaffnet oder nicht, wenn diese Menschenmasse sie angriff, hatten sie nur wenig Chancen. Dort unten mu?ten annahernd zweihundert Personen sein. Miller trat an die Luke, schien sich wieder gefa?t zu haben. Seine Stimme klang fest, als er einige Leute anwies, in den Laderaum hinunterzusteigen. Gedampft sagte er:»Mr. Ross hat drei Drehbassen mit Schrapnell laden und auf die Luke richten lassen. Bei der geringsten Aufsassigkeit werden sie von Deck gefegt, ehe sie wissen, was sie trifft. «Er hatte seinen Kampfrausch also noch nicht uberwunden. Die Menschen, die aus dem vollgepferchten Laderaum langsam auftauchten, boten jedoch einen schrecklichen Anblick. Manche stutzten sich gegenseitig aus Schwache oder Furcht. Einer von ihnen, mit einer Schnittwunde uber dem Auge und einem Gesicht, das vor Prellungen fast schwarz war, trug eine Matrosenjacke.»Wer sind Sie?«fragte Bolitho.
Der Mann starrte ihn verstandnislos an. Allday fuhrte ihn am Arm beiseite, fort von dem Zug langsam auftauchender Jammergestalten.
Dann antwortete der Mann endlich:»Archer, Sir. Bottcher auf der Eurotas.»
Bolitho fragte leise:»Und die Passagiere? Wo befinden sie sich?»
«Passagiere?«Das Nachdenken schien ihm schwer zu fallen.»Ich — ich glaube, sie sind noch im Orlop, Sir. «Er deutete hinter sich.»Die meisten hier sind Deportierte. Wir stecken seit Tagen da unten. «Er starrte wild um sich.»Wasser! Ich mu? Wasser haben.»
Bolitho befahl:»Offnen Sie jedes Wasserfa?, das Sie finden, Miller, und teilen Sie Rationen aus. Sie wissen, was Sie zu tun haben. «Er schob seinen Degen in die Scheide.»Mr. Ross soll ein Boot zu Sergeant Quare und seinen Leuten schicken. «Sein Verstand weigerte sich noch, an die notwendigen Details zu denken. Zu Allday gewandt, fugte er hinzu:»Zum Orlop! Schnell.»
Eine weitere Luke, eine weitere Leiter, fuhrten unter die Wasserlinie. Selbst auf einem so gro?en Schiff wie der Eurotas war nicht Platz genug, um unter Deck aufrecht zu stehen.
Laternen schwankten wie zum Gru?, als vorn weitere Matrosen durch eine andere Luke das Orlopdeck erreichten. Winzige Kabinen, eigentlich nur Locher, saumten den Mittelgang, fast wie jene auf einem Kriegsschiff, in denen die Funktionare ohne Tageslicht hausten: Segelmacher und Bottcher wie dieser Archer, Zimmerleute und Proviantmeister.»Offnet die Turen!»
Er horte eine Frau hysterisch schluchzen; ein Mann weiter vorn sprach ihr trostend zu.
Allday rief:»Hier, Captain!«, und hob seine Laterne, um Bolitho zu leuchten.
Sie sa? auf einer umgesturzten Kiste, den Arm um ein Madchen mit langem, schwarzem Haar gelegt, wahrscheinlich das Madchen, das oben an Deck gehetzt worden war.
Das Madchen stohnte, das Gesicht gegen Viola Raymonds Schulter gepre?t, und ihre Finger krallten sich wie kleine, gierige Krallen in das mattwei?e Kleid. Bolitho konnte nicht sprechen. Hinter sich horte er ein wildes Durcheinander von Weinen und Schluchzen: Menschen, die wieder vereint waren, und andere, die erfolglos nach Verwandten oder Freunden suchten. Doch das alles geschah wie auf einem anderen Stern. Viola erhob sich langsam, zog das Madchen mit hoch.»Geh mit ihm. «Sie druckte es fester an sich, als das Madchen vor Furcht zitterte.»Allday ist ein guter Mann und wird dir nichts tun.»
Das Madchen loste sich von ihr, eine Hand noch nach ihr ausgestreckt. Als ob sie ausgesto?en wurde, dachte Bolitho. Allday stellte die Laterne ab und schlo? die Tur hinter sich. Bolitho streckte die Arme aus und umfa?te Violas Schultern, spurte, wie die Fassung sie verlie?, als sie seinen Nacken umschlang und die Lippen fest an seine Wange pre?te.
«Endlich!«Sie umklammerte ihn noch fester.»Oh, mein Geliebter, endlich bist du zuruckgekommen, um uns zu retten.»
«Ich bringe dich zur Kajute«, sagte er.
«Nein! Nicht dorthin. «Sie blickte zu ihm auf, immer noch unglaubig staunend.»Bring mich an Deck.»
Sie tasteten sich durch das Gewimmel von Mannern und
Frauen, Matrosen und neu angekommenen Marinesoldaten,
bis sie das hohe Achterdeck erreichten. Dann stand sie im frischen Wind, strich sich wiederholt mit den Fingern durch das Haar und holte so tief Luft, als ob jeder Atemzug ihr letzter ware.
Bolitho konnte sie nur ansehen. Er furchtete um sie, hatte ihr gern geholfen. Er zwang sich zu der Frage:»Und dein Mann? Ist er in Sicherheit?»
Sie nickte langsam und wandte sich ihm zu.»Aber wo ist dein Schiff?»
«Das Risiko war zu gro?«, erklarte er.»Sie hatten euch alle umgebracht, ehe die Tempest in die Bucht eingelaufen ware.»
Sie kam quer uber das Deck auf ihn zu, der Saum ihres Kleides schleifte uber die ausgetretenen Planken. Sie sprach nicht, aber ihr Blick blieb auf ihn gerichtet, bis sich ihre Korper beruhrten.
Dann erst brach sie zusammen, schluchzte an seiner Brust und verga? das Schiff und alles um sie herum. Keen blieb mit einem Fu? auf der obersten Sprosse zum Achterdeck stehen. Er hatte ein Dutzend Fragen an seinen Kommandanten. Doch als er die beiden sah, verzichtete er darauf und kehrte zum Hauptdeck zuruck. Seine Stimme klang plotzlich wieder fest.
«Bleiben Sie auf Station, Mr. Ross. Mr. Swift, kummern Sie sich um die Verletzten, und berichten Sie mir dann. «Allday beobachtete ihn und erinnerte sich an den jungen Midshipman, den er einst vor einem qualvollen Tod bewahrt hatte. Jetzt war Keen ein Mann, ein Offizier des Konigs. Dann wandte Allday sich um und blickte zum Achterdeck. Nun, Keen sollte eigentlich ein guter Offizier werden, dachte er. Schlie?lich hatte er das beste Vorbild.