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Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander (читать книги бесплатно полные версии TXT) 📗

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Bolitho sah auf seine Hande, die beim Aufknopfen des Hemdkragens zitterten.

Er hat Angst vor mir, Angst, da? ich ihn schikanieren werde, blo? um meinen Kummer abzureagieren.

Diese Erkenntnis machte ihn etwas ruhiger, aber gleichzeitig schamte er sich.»Danke, Ozzard«, sagte er freundlich,»ich komme jetzt schon allein zurecht.»

«Bestimmt, Sir?«fragte der Mann unsicher und ging ruckwarts zur Tur, als furchte er immer noch, Bolitho wurde auf ihn losgehen. An der Tur zogerte er.»Ich bin nicht ganz ohne Bildung, Sir«, sagte er.»Wenn Sie wunschen, konnte ich Ihnen vorlesen, dann verginge die Zeit vielleicht schneller. Und Sie brauchten nicht zu reden.»

Bolitho wandte sich ab, um sein Gesicht zu verbergen.»Nein, jetzt nicht, Ozzard. Aber ich wei? Ihr Angebot zu schatzen. Mehr, als ich sagen kann.»

Im Spiegel der schragstehenden Fensterflugel sah er, da? der Mann hinausging, lautlos wie immer.

IV In Gefangenschaft

Richard Bolitho stand an der Achterdecksreling und sah in den Sonnenuntergang. Gro?e, rostrote Flecken am Himmel lie?en die westliche Kimm scharf hervortreten. Gemachlich glitt die Lysander unter Kluver und Marssegeln dahin; ihr breiter Rumpf neigte sich kaum vor dem Westwind, der ihr den ganzen Tag treu geblieben war.

Er starrte uber das Deck zum Vorschiff, durch Wanten und Stage und den fettigen, dunnen Rauch aus der Kombuse. Mit Muhe konnte er den winzigen Umri? der Harrebell ausmachen, die weit vor dem Flaggschiff lag. Ihre Maststengen und Rahen standen wie Kreuze im ersterbenden Tageslicht.

Die anderen Schiffe seines Geschwaders waren am Nachmittag nach Suden verschwunden und wurden jetzt mehr Segel setzen, um uber den Punkt hinauszugelangen, an dem die Lysander angreifen sollte. Er vergegenwartigte sich die Karte und stellte im Geiste noch einmal die bruchstuckhaften Informationen zusammen, auf die er seine Taktik gebaut hatte. Er konnte die Kustenlinie fast vor sich sehen, die Berge hinter der Bucht, die Wassertiefen und die Sandbanke. Im Gegensatz dazu gab es eine ganze Menge Fakten, die er nicht kannte: Zum Beispiel, was der Feind an einem bestimmten Ort tat, beziehungsweise ob es wirklich so wichtig war, da? es sich lohnte, die ihm anvertrauten Schiffe deswegen zu riskieren.

Das Gro?marssegel fiel ein, killte laut, als der Wind abflaute, und fand dann seine Kraft wieder. Der Steuermannsmaat der Wache machte es sich etwas bequemer und scherzte mit dem Rudergast; und auch an der Leeseite lockerte Leutnant Fitz-Clarence seine gespannte, wachsame Haltung.

Bolitho versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was er zu tun hatte. Doch es war ruhig im Schiff und eine unmittelbar wichtige Entscheidung nicht zu treffen; so konnte er seiner Angst nicht ausweichen.

Seit zwei Tagen war er wieder an Bord; vor vier Tagen hatten Ja-vals Leute den Schoner genommen. Der mu?te inzwischen schon in Gibraltar sein, auch bei ungunstigem Wind, es sei denn, er war einem uberlegenen Feind begegnet. Das Schiff wurde von einem Prisenausschu? verkauft, vielleicht auch in den Dienst des Konigs ubernommen werden. Die wenigen uberlebenden Spanier wurden auf eine Gefangenen-Hulk [11] kommen, wenn sie nicht von der Moglichkeit Gebrauch machten, sich zum Dienst auf einem britischen Kriegsschiff zu verpflichten. Nach funf Jahren Krieg konnte man auf jedem Schiff des Konigs ein Dutzend Sprachen und Dialekte horen.

Und Adam? Langsam trat Bolitho an die Wanten und starrte auf die See hinaus. Land konnte selbst der Ausguck nicht mehr erken-

nen, und der Himmel war bereits so dunkel, da? es schwerfiel, die Kimm zu unterscheiden, die vor Sekunden noch wie geschmolzenes Kupfer gegluht hatte.

Ein weiterer Leutnant war an Deck gekommen und sprach leise mit Fitz-Clarence. Vorn und tiefer unten im geraumigen Schiffsrumpf erklang der schrille Ton einer Bootsmannsmaatenpfeife, und Bolitho horte das Tappen nackter Fu?e — die nachste Wache schickte sich an, das Schiff bis Mitternacht zu ubernehmen.

Eine Bo wehte Kombusendunst nach achtern, und Bolitho merkte, da? er nichts im Magen hatte. Aber bei dem Gedanken an Haferbrei und die fettigen Klumpen gekochten Fleisches, das ubliche Mittagessen, verging ihm der Appetit.

Herrick tauchte im Niedergang auf und kam heruber zu ihm.

«Ich habe Mr. Gilchrist angewiesen, alle Offiziere und hoheren Deckoffiziere gleich nach acht Glasen in der Messe zu versammeln, Sir. «Er zogerte und versuchte, im Halbdunkel Bolithos Stimmung zu erkennen.»Sie sind alle sehr gespannt.»

«Danke, Thomas. «Er wandte sich um, denn ein Bootsmannsmaat kam, gefolgt von einigen Mannern seiner Wache, auf der Steuerbordlaufbrucke heran.

Ein Schiffsjunge prufte die Kompa?lampe, ein anderer das Stundenglas daneben. Zwei Marine-Infanteristen nahmen langsam Haltung an, als ein Korporal nahte, um sie zu inspizieren. Fast schwarz sahen ihre roten Rocke in der tiefen Dammerung aus. Die leuchtendwei?en Brustriemen und Kniehosen verstarkten den Kontrast noch. Es waren die Wachtposten, einer fur Herricks Kajutentur, einer fur seine.

Brummend gab der Master einem Midshipman Anweisungen, die der Junge, tief uber seine Tafel gebeugt, niederschrieb.

Der eben an Deck gekommene Leutnant nahm Haltung an und tippte formell an den Dreispitz.»Wachablosung vollzahlig angetreten, Mr. Fitz-Clarence.»

Fitz-Clarence nickte gravitatisch.»Lassen Sie bitte den Ruderganger ablosen, Mr. Kipling.»

Undeutliche Befehle, Fu?escharren. Dann sang der Rudergast aus:»Kurs Ost zu Nord liegt an, Sir!»

Grubb schnaufte gerauschvoll.»Gehort sich auch! Ich komme wieder an Deck, ehe das Glas gedreht wird!«Es klang wie eine Drohung.

Bolitho erschauerte.»Ich bin soweit, Thomas.»

Vorn ertonte die Schiffsglocke, ein Toppsgast glitt an einem Backstag hinunter und lachte laut auf, weil er einen Kameraden beinahe umgeworfen hatte.

Sie gingen zum Niedergang hinuber, und Herrick sagte:»Ich glaube, Mr. Grubb hat recht. Der Wind hat nach Westen gedreht, und wir werden schneller an die Kuste herankommen als gedacht.»

Sie stiegen die Leiter hinunter und kamen an einem Matrosen vorbei, der einen Sack Schiffszwieback aus der Messe geholt hatte. Er druckte sich an eine Kajutentur, als furchte er, den Kommodore oder den Kommandanten auch nur zu streifen.

Das Licht einer Laterne fiel auf die Bodenstucke der Geschutze. Es waren einige der achtundvierzig Achtzehnpfunder, die jetzt so friedlich aussahen, da? man sich nur schwer vorstellen konnte, wie sie, in Rauch und Pulvergestank gehullt, im Rucksto? binnenbords fuhren, worauf die brullenden, von der Detonation fast tauben Kanoniere die Rohre fur die nachste Breitseite ausputzten.

Weiter achtern blinkte das helle Rechteck der Messetur; dahinter drangten sich die Offiziere der Lysander und jeder Mann im Deckoffiziersrang, der nicht gerade Wache ging.

Herrick blieb stehen und sagte unsicher:»Es scheint mir lange her, seit die Offiziersmesse mein Zuhause war.»

Bolitho sah ihn prufend an.»Und meins. Mit zwanzig Jahren dachte ich, wenn man erst Kapitan ist, hat man ein leichtes Leben. Heute aber wei? ich: jede Beforderung hat ihre Tucken, ebenso wie ihre Vorteile.»

Herrick nickte.»Mehr Tucken als Vorteile, finde ich.»

Bolitho zupfte unauffallig seine Uniform zurecht. Herrick hatte bisher weder Adam noch uberhaupt jemanden von den Vermi?ten erwahnt. Und doch mu?te er sehr oft an ihn gedacht haben. Bolitho erinnerte sich an die Zeit, als Adam auf der Impulsive, Herricks kleinem Zweidecker, Midshipman gewesen war. Das hatte ihn damals merkwurdig beruhrt. Ob er vielleicht eifersuchtig gewesen war? Hatte er gefurchtet, Adams dienstliches Vertrauensverhaltnis zu Herrick konnte zu einer engeren menschlichen Bindung fuhren, als er selbst sie ihm zu bieten hatte? Alles Trennende kam wieder hoch wie ein Damon, der auf der Lauer gelegen hatte.

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11

Hulk = abgetakelter, au?er Dienst gestellter Schiffsrumpf

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