Harry Potter und der Gefangene von Askaban - Rowling Joanne Kathleen (серия книг .TXT) 📗
»Und?«
»Und er ist – gegen – o Harry – gegen die Peitschende Weide gekracht.«
Harrys Inneres verkrampfte sich. Die Peitschende Weide war ein sehr jahzorniger Baum mitten auf dem Schlo?gelande.
»Und?«, sagte er, und vor der Antwort war ihm ganz bange.
»Tja, du kennst ja die Peitschende Weide«, sagte Ron.»Sie – ahm – mag nicht gern belastigt werden.«
»Professor Flitwick hat ihn geholt, kurz bevor du wieder zu dir gekommen bist«, sagte Hermine kaum vernehmlich.
Zogernd langte sie nach einer Tasche zu ihren Fu?en, stellte sie auf den Kopf und schuttelte ein Dutzend zersplitterte Holzstucke und angeknackstes Reisig auf das Bett, die letzten Uberreste von Harrys treuem, am Ende geschlagenem Besen.
Die Karte des Rumtreibers
Madam Pomfrey beschlo? resolut, Harry ubers Wochenende im Krankenflugel zu behalten. Er widersprach nicht und klagte auch nicht, doch sie durfte nichts von den klaglichen Uberbleibseln seines Nimbus Zweitausend fortwerfen. Das war albern, und er wu?te es, denn der Nimbus war nicht mehr zu retten, und doch konnte er einfach nicht anders: Er hatte das Gefuhl, einen guten Freund verloren zu haben.
Der Strom der Besucher ri? nicht ab, und alle kamen, um ihn aufzumuntern. Hagrid schickte ihm einen Strau? Ringelblumen, der wie ein gelber Kohlkopf aussah, und Ginny Weasley, puterrot angelaufen, tauchte mit einer selbst gebastelten Genesungskarte auf, die mit schriller Stimme zu singen begann, wenn Harry sie nicht unter einer schweren Obstschale zum Schweigen brachte. Das Team der Gryffindors tauchte am Sonntagmorgen wieder auf, und diesmal war auch Wood dabei. Er mache Harry nicht den geringsten Vorwurf, sagte er mit merkwurdig hohler, lebloser Stimme. Ron und Hermine wichen nur nachts von Harrys Bett. Doch was sie auch sagten oder taten, sie konnten Harry nicht aufheitern, denn sie wu?ten nur die Halfte von dem, was ihn wirklich beunruhigte.
Keinem hatte er von dem Grimm erzahlt, nicht einmal Ron und Hermine, denn wu?te, da? Ron panisch und Hermine spottisch reagieren wurde. Tatsache blieb jedoch, da? er jetzt schon zweimal erschienen war, und beiden Erscheinungen waren lebensgefahrliche Unfalle gefolgt. Beim ersten Mal war er beinahe vom Fahrenden Ritter uberrollt worden; beim zweiten Mal war er von seinem Besen funfzehn Meter in die Tiefe gesturzt. Wurde der Grimm ihn jagen, bis er wirklich starb? Sollte er fur den Rest seines Lebens unentwegt nach dem Untier Ausschau halten?
Und dann waren da noch die Dementoren. Immer, wenn Harry an sie dachte, wurde ihm schlecht und er fuhlte sich gedemutigt. Alle sagten, die Dementoren seien schrecklich, aber kein anderer brach jedes Mal bei ihrem Anblick zusammen… und niemand sonst horte im Kopf den Widerhall der Schreie von sterbenden Verwandten…
Denn Harry wu?te jetzt, wessen Stimme es war, die er gehort hatte. Er hatte sich ihre Worte wiederholt, immer und immer wieder in den nachtlichen Stunden im Krankenflugel, in denen er wach lag und auf die hellen Streifen starrte, die das Mondlicht an die Decke warf. Wenn sich die Dementoren naherten, horte er die letzten Momente im Leben seiner Mutter, ihre Versuche, ihn, Harry, vor Lord Voldemort zu schutzen, und Lord Voldemorts Gelachter, bevor er sie ermordete… Harry doste ein und schreckte immer wieder hoch, sank in Traume voll feuchtkalter, verrotteter Hande und grauenerfullten Flehens, er schreckte auf und kam nicht von der Stimme seiner Mutter los und wollte sie sich immer wieder in Erinnerung rufen.
Es war eine Erleichterung, am Montag ins larmende Getriebe der Schule zuruckzukehren, wo er gezwungen war, an andere Dinge zu denken, selbst wenn er Draco Malfoys Hanseleien uber sich ergehen lassen mu?te. Malfoy war ganz entzuckt vor Schadenfreude uber die Niederlage der Gryffindors. Endlich hatte er sich die Bandagen abgenommen und er feierte diesen Anla?, indem er Harrys Sturz vom Besen beschwingt nachspielte. Zudem verbrachte er einen Gro?teil ihrer nachsten Zaubertrankstunden mit Auftritten als Dementor im Kerker. Ron verlor schlie?lich die Nerven und warf ein gro?es, glitschiges Krokodilherz auf Malfoy, das ihn im Gesicht traf; daraufhin zog Snape den Gryffindors funfzig Punkte ab.
»Wenn Snape wieder Verteidigung gegen die dunklen Kunste gibt, melde ich mich krank«, sagte Ron nach dem Mittagessen auf dem Weg zu Professor Lupins Klassenzimmer.»Sieh erst mal nach, wer drin ist, Hermine.«
Hermine offnete die Tur einen Spaltbreit und spahte hinein.
»Du kannst kommen!«
Professor Lupin war wieder da. Deutlich mitgenommen sah er aus. Sein alter Umhang hing ihm noch schlaffer um die Schultern als sonst und er hatte dunkle Schatten unter den Augen; dennoch lachelte er sie an, als sie ihre Platze einnahmen, und die ganze Klasse brach sofort in einen Sturm von Beschwerden uber Snapes Verhalten wahrend Lupins Krankheit aus.
»Das ist nicht fair, er macht nur Vertretung, warum mu? er uns Hausaufgaben aufgeben?«
»Wir wissen doch nichts uber Werwolfe -«
»- zwei Rollen Pergament!«
»Habt ihr Professor Snape gesagt, da? wir Werwolfe noch nicht behandelt haben?«, fragte Lupin in die Runde und runzelte leicht die Stirn.
Das Gebrabbel brach wieder los.
»Ja, aber er sagte, wir seien weit zuruck -«
»- er wollte nichts davon horen -«
»- zwei Rollen Pergament!«
Professor Lupin lachelte angesichts der Entrustung auf den Gesichtern.
»Macht euch keine Sorgen, ich spreche mit Professor Snape. Den Aufsatz mu?t ihr nicht schreiben.«
»O nein«, sagte Hermine enttauscht.»Meiner ist schon fertig!«
Sie hatten eine recht vergnugliche Stunde. Professor Lupin hatte einen Glaskasten mit einem Hinkepank mitgebracht, einem kleinen einbeinigen Geschopf, das aussah, als bestunde es aus Rauchschwaden und ware recht schwachlich und harmlos.
»Der Hinkepank lockt Reisende in die Sumpfe«, sagte Professor Lupin, und die Klasse schrieb eifrig mit.»Seht ihr die Laterne, die er in der Hand hat? Er hupft voraus – die Leute folgen dem Licht – und dann -«
Der Hinkepank machte ein furchterlich quietschendes Gerausch am Glas.
Als es lautete, packten alle ihre Sachen ein und gingen zur Tur, auch Harry, doch -
»Wart einen Moment, Harry«, rief Lupin,»ich mochte kurz mit dir sprechen.«
Harry kam zuruck und sah Professor Lupin zu, wie er den Glaskasten des Hinkepanks mit einem Tuch abdeckte.
»Ich hab von dem Spiel gehort«, sagte Lupin, wandte sich zum Pult um und steckte die Bucher in seine Mappe,»und es tut mir Leid wegen deines Besens. Gibt es eine Moglichkeit, ihn zu reparieren?«
»Nein«, sagte Harry.»Der Baum hat ihn zu Kleinholz verarbeitet.«
Lupin seufzte.
»Sie haben die Peitschende Weide in dem Jahr gepflanzt, als ich nach Hogwarts kam. Wir haben damals aus Jux versucht ihr so nah wie moglich zu kommen und den Stamm zu beruhren. Schlie?lich hat ein junge namens Davey Gudgeon fast ein Auge verloren und wir durften dann nicht mehr in ihre Nahe. Wird Zeit, da? sie ausgerissen wird… Ich werd mal mit Professor Dumbledore reden…«
»Haben Sie auch von den Dementoren gehort?«, uberwand sich Harry zu fragen.
Lupin warf ihm einen raschen Blick zu.
»Ja, hab ich. Ich glaube, keiner von uns hat Professor Dumbledore jemals so wutend gesehen. Sie sind schon seit einiger Zeit ungehalten… verargert, weil er sich weigert, sie auf das Gelande zu lassen ich vermute, da? du ihretwegen abgesturzt bist?«
»Ja«, sagte Harry. Er zogerte, und dann brach die Frage, die ihm auf der Zunge lag, unwillkurlich aus ihm heraus.»Warum? Warum bin ich so anfallig fur sie? Bin ich schlicht und einfach -?«
»Es hat nichts mit Schwache zu tun«, sagte Professor Lupin scharf, als ob er Harrys Gedanken lesen konnte.»Die Dementoren greifen dich starker an als die andern, weil es schreckliche Ereignisse in deiner Vergangenheit gibt, die die andern nicht erlebt haben.«