Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander (читать полностью бесплатно хорошие книги txt) 📗
Dunnes Sonnenlicht lag uber dem driftenden Dunst; er horte den Ausguck rufen:»Da is' was in Lee voraus, Sir! Kabbelwasser!»
Bolitho nahm ein Teleskop und suchte eifrig die sparliche Kustenlinie ab. Tatsachlich: da waren die charakteristischen kleinen Brecher an der inneren Biegung eines Landvorsprungs. Angestrengt versuchte er, diese Bucht in seine Vorstellung von Inchs Karte einzuordnen. Das mu?te die Stelle sein, die Avala mit seiner leisen Aristokratenstimme beschrieben hatte.
Jemand kam an Deck, rutschte aus und entschuldigte sich verlegen. Es war Calvert, der sich in der Dammerung an der Leereling entlangtastete. Er sah verharmt und unausgeschlafen aus; dunkle Schatten waren unter seinen Augen.
«Ausguck!«rief Inch durch die hohlen Hande.»Was von der Restless zu sehen?»
«Nichts, Sir!»
«Der verdammte Kerl mu? sich verirrt haben«, sagte Inch. Er war nervoser als sonst. Bolitho musterte ihn verstohlen. Vielleicht war
Inch besorgter, als er sich anmerken lie?, weil er sich an dieser verraterischen Kuste so entlangtasten mu?te. Oder vielleicht verbarg er damit seine wahren Gefuhle uber die Aufgabe, die ihm zugeschoben worden war? Es wurde nicht einfach fur ihn werden. Jetzt flusterte Inch nickend mit dem Stuckmeister und dem Ersten. Oder hatte er keine Lust, Bolithos Mi?erfolg mit anzusehen?
Langsam, aber sicher kam der runde Landvorsprung naher; sein Gipfel schimmerte bereits im Fruhlicht. Nun war es bald soweit.
Inch kam nach achtern.»Mit Ihrer Erlaubnis, Sir, lasse ich die Morser feuern, sobald wir in Hohe der Landspitze sind. So haben meine Leute Zeit, neu zu laden; und die nachsten Schusse fallen dann, sobald wir die Einfahrt passieren. Mr. Broome glaubt bestimmt, da? wir eine ganz schone Konfusion anrichten werden, selbst wenn wir nichts treffen.»
Bolitho lachelte befriedigt. Inch hatte offenbar neues Selbstvertrauen gewonnen, und schon allein das war ansteckend.»Recht so. Machen Sie weiter.»
«Mannschaft auf Stationen, Mr. Wilmot! Sie wissen, was wir heute vorhaben!»
Die Geschutzbedienungen waren schon vor Stunden herausgerufen worden. In der Kombuse loschte der Koch das Feuer; aber sonst konnten sie nur warten und Mr. Broome zusehen, der mit seinen Maaten wie eine Gruppe Hohepriester bei den niedrigen Morsern stand.
«Die werden diese stinkigen Bastarde schon aufwecken!«murmelte Allday grimmig.
«Drei Faden!«sang der Lotgast aus. Hart und klar stand das Vorland jetzt gegen den Himmel und verlief in den kabbligen Wolkenkammen, als wolle es dem Bugspriet einen freundschaftlichen Schubs versetzen.
Broome hob seine Hand.»Weg von den Morsern, Jungs!«Bolitho sah, wie eine Lunte aufspruhte und der Stuckmeister blitzschnell den Arm vorstreckte. Er hielt den Atem an.
In Sekundenabstand gaben beide Morser Feuer, und zu seiner Uberraschung war das Krachen der Schusse gar nichts gegen den furchtbaren Rucksto?. Das Deck sprang und vibrierte so stark unter seinen Fu?en, da? ihm die Zahne schmerzhaft aufeinanderschlugen und ihm das Genick weh tat, als sei er von einem durchgehenden Pferd gefallen.
Inch sah zu ihm heruber.»Ganz ordentlich, Sir.»
Bolitho nickte nur, denn seiner Stimme traute er nicht. Dann eilte er zur Reling und sah, wie es auf dem Grat des Vorlandes dunkel aufgluhte; Sekunden spater kam der dumpfe Schall der Detonation ubers Wasser und lie? die Luft erzittern.
Brullend trieb Broome seine Geschutzbedienungen an, neu zu laden; aufgeregt redeten die wartenden Manner auf dem Hauptdeck durcheinander. Was fur eine seltsame, entnervende Art der Kriegsfuhrung, dachte Bolitho. Hoch uber eine feste Landmasse zu schie?en, ohne zu wissen, ohne sich auch nur darum zu kummern, was dahinter lag!
«Achtung aufs Ruder, Mr. Wilmot!«rief Inch, rannte an die Reling und starrte in die vorderste Reihe der Brecher.»Wir mussen anluven, wenn wir noch naher herankommen!»
«Fertig, Sir!«bellte Broome.
«Noch nicht«, sagte Bolitho und wartete ab, bis sie an einer Reihe schaumfleckiger Riffe voruber waren.»Gleich haben wir die Landspitze umrundet!»
Er ri? seine Augen von den glitzernden Klippen los und stellte sich vor, was passiert ware, wenn das Schiff etwas mehr Tiefgang gehabt hatte.
«Jetzt kommt's«, sagte Inch.»Da brennt irgendwas, wir mussen getroffen haben.»
Bolitho versuchte, mit seinem Teleskop die Sto?e der Stromung auszugleichen. In der Bucht war es noch sehr dunkel, und das glosende Feuer war schon am Erloschen — auf einem ausgedorrten Abhang hinten in der Bucht mochte ein Fleck Heidekraut in Brand geraten sein.
«Und noch mal!«Er ri? den Mund auf und war froh, da? ihm diesmal die Zahne nicht so stark aufeinanderschlugen. Aber trotzdem — da? die Decksplanken der Hekla dieser gewaltigen Beanspruchung stand hielten, sprach sehr fur die Konstrukteure dieses Schiffstyps.
Ein einziger heller Blitz, der sich zu einer machtigen Feuerwand auswuchs, spiegelte sich in dem geschutzten Wasser der kleinen Bucht wider, so da? er doppelt und dreifach so stark wie in Wirklichkeit erschien. In den wenigen Sekunden, in denen er aufflammte und erstarb, sah Bolitho die schwarzen Silhouetten einiger unbewegt vor Anker liegender Fahrzeuge, und vor Erleichterung wurde ihm beinahe schlecht.
«Na, da sind sie ja!«sagte Allday und lehnte sich ungeduldig gegen die Reling.»Mocht' ich doch wetten, da? wir ihnen die gottverdammten Barte angesengt haben!»
Bolitho horte gar nicht hin.»Wir sind nahe genug, Commander Inch! Drehen Sie bei, dann werden wir ja sehen, was passiert.»
Er schritt nach achtern an die Heckreling, um den Matrosen aus dem Wege zu gehen, die zu den Brassen und Fallen rannten. Soweit, so gut. In den nachsten Minuten wurde es sich herausstellen, ob sie nur ihre Zeit verschwendeten. Wenn die Piraten sich entschlossen, in ihrer tiefen Bucht zu bleiben, dann war weiter nichts zu tun, als das Bombardement von See aus fortzusetzen. Die Morser waren ja sehr eindrucksvoll, aber unter diesen Bedingungen konnten sie allenfalls eine Panik hervorrufen. Sie brauchten Stabilitat, einen guten Ankerplatz und Beobachter an Land, um die Trefferlage zu signalisieren.
Mit schlagenden Blocken und klatschenden Fallen holte die Hekla unter dem schweren Druck von Ruder und Segel uber und drehte protestierend in den Wind.
Im Verhaltnis zu seiner geringen Lange war das Deck sehr breit, und jeder Quadratfu? war gedrangt voll mit hastenden Mannern, bis das Manover beendet war und der Bomber auf Steuerbordbug lag, das Heck jetzt wieder dem Lande zugewandt.
Die Hekla war ein schwer zu handhabendes Schiff, und zum erstenmal seit langen Jahren fuhlte Bolitho den unangenehmen Krampf der Seekrankheit im Magen.
Inch jedoch grinste nur und schwenkte die Arme, denn seine Stimme ging im Tosen des Windes und der See vollkommen unter. Die Hekla war fur ihn mehr als nur ein Schiff, das er befehligte. Sie war wie ein neues Spielzeug, dessen Geheimnisse ihn immer noch uberraschten und erregten.
Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis das Manover ganz beendet war und das Schiff wieder in seiner ursprunglichen Position lag, mit dem Landvorsprung in Lee. Mittlerweile war es so hell geworden, da? man schon die nachste Kette runder Bergkuppen ausmachen konnte und gelegentlich auch den kleinen, halbkreisformigen Strand, sowie erheblich mehr Riffe, als er zuerst gedacht hatte.
Nachdenklich sagte Inch:»Wind flaut ab, Sir. «Gerauschvoll rieb er sich die Bartstoppeln.»Wird vielleicht doch noch hei?.»
Aber vor der Kimm lag noch reichlich Dunst und Nebel. Trotz der immer heller werdenden Lichtreflexe auf dem Wasser wurde es nicht warm, und sie frostelten unter ihren durchweichten Uniformen.
Bolitho wandte den anderen den Rucken zu. Wahrscheinlich fand Inch die Aussicht bedenklich, bei dem abflauenden Wind so dicht unter Land zu liegen. Auch manche Matrosen steckten die Kopfe zusammen — bestimmt machten sie sich ebenfalls Sorgen.