Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander (читаем полную версию книг бесплатно txt) 📗
Dann wandte er sich ab, um einer Schar kreischender Mowen nachzuschauen, die unterhalb der Heckgalerie vorbeistrichen. Die jedenfalls waren den taglichen Kampf ums Uberleben gewohnt, dachte er.
«Der franzosische Admiral trimmt seine Bramsegel, Sir«, meldete Inch.
Bolitho sah, da? der Bug des Flaggschiffs sich langsam am Heck des Fuhrungsschiffs vorbeischob. Also hatte er Remonds Absicht richtig erraten. Nun hing alles von den Mannern in seiner Nahe ab.
«Kapitan Inch, was jetzt kommt, mu? sehr prazise ausgefuhrt werden. «Lachelnd beruhrte er seinen Arm.»Aber ich brauche Ihnen ja nicht zu sagen, wie Sie Ihr Schiff zu fuhren haben, wie?»
Inch strahlte vor Freude.»Vielen Dank, Sir!«Dann wandte er sich wieder seinen Leuten zu.»Mr. Graham, bemannen Sie die Brassen. «Dann scho? sein Zeigefinger vor, als wolle er einen Leutnant unten auf dem Batteriedeck aufspie?en.»Mr. Synge! Sind beide Batterien wie befohlen geladen?»
Der Leutnant spahte zum Achterdeck hinauf und antwortete nervos:»Aye, Sir! Ich — ich habe nur die Vollzugsmeldung vergessen,
Sir.»
Inch funkelte den ungluckseligen Leutnant bose an.»Freut mich zu horen, Mr. Synge. Ich dachte schon, Sie halten mich fur einen Hellseher.»
Die Manner an den nachsten Kanonen kicherten, verstummten aber sofort, als der Leutnant mit rotem Gesicht zu ihnen herumfuhr.
Bolitho sah den Franzosen entgegen — fast ohne jede Emotion, wie er zu seiner Uberraschung feststellte. Denn nun hatte er sich festgelegt. Wie die Sache auch ausgehen mochte, jetzt konnte er keinen Ruckzieher mehr machen, selbst wenn er das gewollt hatte.
«Klar zur Wende!»
Die Manner an den Brassen und Schoten duckten sich und lie?en die Muskeln spielen, als machten sie sich bereit zu einem Ringkampf.
«Ruder nach Lee!»
«Fiert weg — holt dicht!»
Bei dieser rauhen Behandlung schien das Schiff einen Augenblick zu bocken, aber dann — nach einer kleinen Ewigkeit — drehte es gehorsam den Bug zum Wind.
Grahams Befehle schienen von uberall her zu kommen.»Hol uber den Baum! Fier auf die Bram-Bulins!»
An jeder Kanone stand ein Stuckmeister und spahte durch seine Stuckpforte auf den viereckigen Ausschnitt der leeren See hinaus, unberuhrt vom Donnern der Segel, dem Knarren der Blocke und dem Stampfen vieler Fu?e uber seinem Kopf.
Bolitho konzentrierte sich auf das franzosische Fuhrungsschiff und sah mit kalter Genugtuung, da? es seinen Kurs eisern beibehielt, obwohl der Kommandant sich doch eigentlich hatte fragen mussen, was der Englander mit seinem Manover bezweckte.
Folgsam luvte Odin weiter an, auch wenn sie mit ihren schlagenden Segeln und schwingenden Rahen fur jede Landratte ein chaotisches Bild bieten mu?te. Aber sie fuhr sich nicht fest, ihre Restfahrt schob sie zuverlassig durch den Wind auf den anderen Bug, und als die Rahen wieder angebra?t wurden und die Segel steifkamen, begann sie langsam, aber unaufhaltsam den ansegelnden Feindschiffen ihre Steuerbordseite zu prasentieren.
Graham brullte durch sein Sprachrohr:»Einzelfeuer!»
Inchs Sabel zischte durch die Luft nach unten, und eine nach der anderen krachten die Kanonen der Odin auf beiden Decks; aus der unteren Batterie spuckten sie die gewaltigen Doppelkugeln, aus der oberen fuhren kreischend die Kettenkugeln.
Bolitho hielt den Atem an, als die Kugeln der vordersten Kanonen ihr Ziel fanden. Ein Beben lief durch das franzosische Schiff, als sei es — wie zuvor das Wachschiff — auf Grund gelaufen. Aber die Beschie?ung horte nicht auf, die Leutnants schritten weiter von
Kanone zu Kanone, wahrend eine Abzugsleine nach der anderen gespannt wurde. Das gleiche Bild mu?te sich auf dem unteren Batteriedeck bieten, wo es im geschlossenen Raum und mit den wild hantierenden, halbnackten Mannern eher noch infernalischer zuging. Sie feuerten, sprangen zuruck, wischten aus, luden nach, stopften und feuerten abermals.
Die Spur der Kettenkugeln lie? sich leicht verfolgen: Bolitho sah das ganze Vorgeschirr des Feindes mit Segeln und laufendem Gut in Fetzen gehen und die gebrochene Fockmaststenge uber die Seite in die See fallen, wo sie hinter einem hohen Gischtvorhang verschwand. Ihr totes Gewicht wirkte sich sofort wie ein ubergro?er Treibanker aus, und Bolitho beobachtete, wie der Bug des feindlichen Schiffes unkontrolliert herumschwang und in den Wind drehte.
«Ziel auffassen, Jungs! Feuer!»
Die Doppelkugeln krachten in das schwer havarierte Schiff, rissen Kanonen um und fuhren Tod und Verderben speiend durch die Decks. Oben brachen immer mehr Leinen und Spieren und boten immer mehr Segelflache den Kugeln dar, die das Tuch durchlocherten, bis es in Streifen davonflog.
Inch rief:»Achtung auf der Back — Feuer frei!»
Die Steuerbord-Karronade spuckte Feuer und Rauch, hatte aber etwas zu hoch gezielt, so da? die gro?e Kartatschenkugel auf dem Seitendeck des Feindes platzte. Ihr Einschlag richtete keinen gro?en Schaden an, aber die Wirkung ihres Schrothagels war entsetzlich. Dort hatten etwa zwanzig Manner fieberhaft gearbeitet, um Wanten und Stagen der jetzt nutzlosen Fockmaststenge zu kappen. Sie wurden von der Kartatschenladung zerfetzt, und ihr Blut farbte die Bordwand vom Schanzkleid bis zur Wasserlinie rot.
Aus der Ferne sah es so aus, als sei das Schiff selbst todlich getroffen und verblute jetzt.
«Klar zur Kursanderung nach Steuerbord!»
«Bra?t an die Blindenrah!»
Einige wenige Kugeln des Feindes schlugen in die Bordwand, bewirkten aber nur, da? Odins Seesoldaten noch wutender zuruckschossen.
Bolitho fuhlte den Wind auf der anderen Wange und horte die Segel knatternd protestieren, als Odin jetzt mit dem Heck durch den Wind ging. Odin war zwar keine wendige Fregatte, aber unter Inchs Fuhrung manovrierte sie fast genausogut.
Eine starke Fallbo ri? den Rauchvorhang weg, so da? Bolitho das franzosische Flaggschiff erkannte; es stand so dicht am Steuerbord-Kranbalken der Odin, als hatte es sich dort verfangen. In Wirklichkeit betrug die Distanz zwar noch eine gute Kabellange, aber immerhin konnte Bolitho Trikolore und Admiralsflagge knattern sehen und die fieberhafte Aktivitat auf ihrem Achterdeck beobachten, als der Kommandant sich verzweifelt bemuhte, einer Kollision mit dem zerschossenen Fuhrungsschiff zu entgehen.
Bolitho hob sein Glas und wartete ab, bis seine Batterien abermals eine Breitseite auf den hilflosen Franzosen abgefeuert hatten. Er spurte, wie die Decksplanken unter seinen Fu?en sich bei den Rucksto?en aufbaumten, sah die wilden, fast irrwitzigen Augen der Manner an den Achtzehnpfundern, die sich in die Taljen warfen, um ihre Kanonen zum nachsten Schu? wieder auszurennen.
Als er durchs Glas blickte, stand die hohe Heckgalerie des Franzosen wie zum Greifen nahe vor seinem Auge und darauf der mit vergoldeten Lettern geschriebene Schiffsname: La Sultane.
Er hob das Teleskop leicht an und bekam einige ihrer Offiziere ins Blickfeld; einer fuchtelte zu den Rahen hinauf, der andere wischte sich das Gesicht wie nach einem tropischen Regengu?.
Und einen Augenblick lang sah er, ehe die Kanonen erneut aufbrullten, den Zweispitz des franzosischen Admirals und dann — als der Mann abrupt zur Hutte schritt — sein Gesicht. Das war Konteradmiral Remond, ohne Zweifel. Bolitho hatte ihn uberall wiedererkannt.
Allday sah Bolithos Miene und begriff.
Viele Stabsoffiziere hatten damals das Angebot des Franzosen akzeptiert, bedeutete es doch, in einem bequemen Haus, mit Dienern und allem erdenklichen Luxus in Ruhe auf einen Austausch zu warten. Remond aber hatte nicht verstanden, warum Bolitho all dies ausgeschlagen hatte: geopfert fur die Chance, es den Franzosen heimzuzahlen.
Das war naturlich der blanke Aberwitz, dachte Allday melancholisch, aber seltsamerweise lie? seine Furcht vor dem Kommenden etwas nach.
Ohne Alldays prufenden Blick zu bemerken, wandte Bolitho sich jetzt dem havarierten Franzosen zu. Das Schiff war nach dem pausenlosen Beschu? so gut wie kampfunfahig, aus seinen Speigatten rann es rot uber die durchlocherte Bordwand: ein Zeichen dafur, da? die Besatzung ihr ubergro?es Selbstvertrauen mit dem Tode bu?en mu?te.