Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander (читать полностью бесплатно хорошие книги txt) 📗
Meheux eilte hinweg, rief die Matrosen vom Decksgang und von den Webeleinen, von wo aus sie das fremde Schiff beobachteten. Minuten spater ging die Navarra mit der flatternden, vor dem klaren Himmel gut sichtbaren Flagge in den Wind; die leeren Segel schlugen protestierend, und das Deck war auf einmal voller Menschen, die von unten heraufgestromt kamen.
Bolitho balancierte die ungleichma?igen Bewegungen der Navarra aus und trat wieder zu Witrand.»Ihr Angebot, m'sieur — war es ernst gemeint?«Er fingerte an seinem Koppel und fuhr mit niedergeschlagenen Augen fort:»Ich hatte da jemanden.»
Er brach ab und fuhr herum, denn ein tosendes Hurrageschrei hallte uber das Wasser.
Die Fregatte halste und kam heran, und als sie zum Aufschie?en in den Wind ging, sah er die Flagge am Besan. Es war die gleiche wie die der Navarra, und er mu?te sich abwenden, um seine Bewegung zu verbergen.
Unter Freudensprungen schrie Ashton:»Das ist die Coquette, Sir!»
Meheux grinste von einem Ohr zum anderen, schlug Allday auf die Schulter und brullte:»Na also!«Und noch ein Schlag:»Na also!«Weiter brachte er nichts heraus.
Bolitho sah zu dem Franzosen hinuber.»Es wird nicht mehr notig sein, m'sieur.«Die gelben Augen des Mannes waren starr. Er hatte verstanden.»Aber ich danke Ihnen«, schlo? Bolitho.
Witrand starrte die Flagge an.»Anscheinend sind die Englander wieder im Mittelmeer«, sagte er nur.
XI Das Warten ist zu Ende
Sie brauchten noch zwei Tage, um das Geschwader zu finden, und wahrend dieser Zeit fragte Bolitho sich oft, was wohl passiert ware, wenn die Coquette nicht so rechtzeitig erschienen ware. Der Chronometer der Navarra war zerbrochen; weder ein Sextant noch ein verla?licher Kompa? waren vorhanden. Auch ohne die Sturmschaden ware es ihm schwergefallen, den Schiffsort auch nur schatzungsweise festzulegen; vom Abstecken eines Kurses nach dem Gebiet, wo das Geschwader sich sammeln sollte, ganz zu schweigen.
Gifford, der lange, schlaksige Kommandant der Coquette, nannte es» reines Teufelsgluck«, und das mit Recht. Denn ware er auf seiner vorgeschriebenen Station im Kielwasser des Geschwaders geblieben und hatte sich dort auf die befohlenen kurzen Spah- und Patrouillenfahrten beschrankt, so hatte er die havarierte, nicht voll manovrierfahige Navarra nie gefunden. Er hatte ein Segel gesichtet, hatte seinen Kurs geandert und war rekognoszieren gefahren; in der Sturmnacht hatte er es jedoch wieder verloren. Am nachsten Tag hatte er es wiedergefunden — es war eine britische Korvette, die noch dazu auf der Suche nach ihm selbst war. Sie war vierundzwanzig Stunden nach dem Auslaufen des Geschwaders in Gibraltar angekommen und brachte Depeschen fur Broughton. Diese hatte sie an Gifford ubergeben und war schleunigst wieder zuruckgesegelt, da sie sich verstandlicherweise in diesen feindverseuchten Gewassern nicht recht wohl fuhlte.
Gifford wu?te nicht, was dieser versiegelte Umschlag enthielt, und sprach auch immer nur von seiner Uberraschung beim Anblick der Navarra und besonders der Flagge, die auf dem so schwer beschadigten Schiff wehte. Und noch mehr staunte er, als er in dem zerlumpten, blutbefleckten Mann, der ihn beim Anbordkommen begru?te, seinen eigenen Flaggkapitan erkannte.
Bei den vielen Frauen, die an Deck der Navarra herumwimmelten, war es kein Wunder, da? sich auf der Coquette massenhaft Freiwillige meldeten, als Manner fur die Reparaturen gesucht wurden. Der Erste Offizier der Fregatte, der bekannterma?en sehr geizig mit den Reservebestanden seines Schiffes war, lie? sogar einen Hilfsmast hinuberschicken, um den gekappten Besan zu ersetzen.
Oft horte Bolitho wahrend der Arbeit schrilles Lachen und diskretes Gekicher vom Unterdeck. Da erlaubte sich offenbar der eine oder andere von der Mannschaft der Coquette einen kleinen Spa?.
Und als er am nachsten Morgen an der Luvreling der Navarra stand, war er stolz, als er die Sonne auf den wohlbekannten Marssegeln des Geschwaders schimmern sah und die flinke Restless heranscho?, um nachzusehen, wer da kame.
Meheux schien ebenfalls bewegt zu sein.»Fein sehen die aus, Sir«, sagte er befriedigt.»Ich habe gar nichts dagegen, von Bord dieser schwimmenden Ruine zu kommen.»
Und dann setzte die Coquette mehr Segel und eilte dem havarierten Schiff voraus. Schon flatterten die Signalflaggen munter an den Rahen; Bolitho sah sein eigenes Schiff hell im Sonnenlicht stehen. Es halste, und langsam fullten sich die braunlichen Segel uber dem neuen Bug; dann schien es wieder wie die anderen Linienschiffe bewegungslos uber seinem Spiegelbild zu stehen, und nur an einer winziger Schaumspur am Bug erkannte man, da? es stetig aufkam.
«Sie wird gleich ein Boot aussetzen. Sie behalten hier das Kommando, Mr. Meheux, bis druben entschieden wird, was mit der Navar-ra geschehen soll. Sie werden wohl nicht lange darauf zu warten haben«, sagte Bolitho.
«Ich bin erleichtert, das zu horen, Sir«, lachelte Meheux und deutete auf ein offenes Luk, aus dem das Klappern und Janken der Pumpen heraufklang.»Was ist mit den Mannern da unten, Sir? Soll ich sie unter Bedeckung hinuberschicken?»
Bolitho schuttelte den Kopf.»Sie haben ganz ordentlich gearbeitet, und ich glaube, sie werden es sich in Zukunft uberlegen, ob sie sich wieder an einer Gratisladung Brandy vergreifen.»
Ashton rief:»Flaggschiff signalisiert an Geschwader: >Beidrehen<, Sir!«Er sah wieder kraftiger aus, obgleich er die Augen zusammenkniff, als hatte er Kopfschmerzen.
Eben knurrte Allday vernehmlich:»Bei Gott, Captain, da kommt Ihre Gig! Diesen Bootsfuhrer bringe ich um, er steuert ja sauma?ig!»
«Holen Sie Witrand herauf«, sagte Bolitho nur.»Wir nehmen ihn mit auf die Euryalus.»
Die nachsten Augenblicke waren unwirklich und ziemlich herzbewegend fur Bolitho. Als die Gig langsseit kam, die hochgestellten Riemen schimmernd wie zwei Reihen polierter Walknochen, und Meheux ihm zum Fallreep folgte, drangten sich die meisten Passagiere der Navarra heran, um ihn von Bord gehen zu sehen. Manche winkten ihm zu, und einige Frauen lachten und weinten gleichzeitig.
Er glaubte Parejas Witwe auf der Kampanje gesehen zu haben, aber er war sich dessen nicht sicher, und wieder fragte er sich, wie er ihr helfen konne.
Witrand, der neben ihm stand, schuttelte den Kopf.»Denen tut es wahrhaftig leid, da? Sie gehen, capitaine. Die gemeinsamen Leiden der letzten Tage haben uns einander nahergebracht, wie?«Aber mit einem Blick auf die Euryalus fuhr er ernuchtert fort: «Eh bien, das war gestern. Morgen ist alles wieder anders.»
Bolitho kletterte nach Ashton und dem Franzosen in die kleine Gig, wo Allday bereits dem Matrosen, der mit unbewegtem Gesicht an der Pinne sa?, Drohungen ins Ohr zischte. Noch eine Sekunde lang blickte er hoch in die Reihe der Gesichter, auf die Schu?locher und die vielen Narben, wo die dunkelhautigen Angreifer ihre Enterhaken geschleudert hatten, um wie eine brullende Horde wilder Tiere an Bord zu schwarmen. Witrand hatte recht — das war vorbei.
Die Ruckkehr auf sein eigenes Schiff war nicht weniger herzbewegend. Die Matrosen, die in den Wanten hingen oder gefahrlich auf den Mattenkasten balancierten, schrien grinsend hurra und freuten sich offensichtlich. Als er durch die Fallreepspforte kletterte, fielen ihm fast die Ohren zu von dem Schrillen der Querpfeifen und dem Trommeln des kleinen Musikkorps, und er fand noch Zeit festzustellen, da? die sonst so holzern-starren Gesichter der Spielleute heftige Gemutsbewegung ausdruckten.
Keverne trat vor und bemuhte sich, nicht zu auffallig Bolithos zerfetzte Uniform anzustarren.»Willkommen an Bord, Sir«, sagte er lachelnd.»Da habe ich also meine Wette gegen den Master gewonnen.»