Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander (читать полностью бесплатно хорошие книги txt) 📗
«Als Flottenbasis, Sir?«fragte Raffles mit seiner groben Stimme.
«Vielleicht. «Draffen richtete sich auf.»Aber meine Agenten haben mir von einem regen Kommen und Gehen in Cartagena berichtet. Es ware gut, wenn unser Wiedereintritt ins Mittelmeer mit einer Aktion verbunden ware, mit etwas Positivem. «Wieder tippte er auf die Karte.»Ihr Admiral wei? bereits, worum es sich handelt; aber Ihnen, Gent-lemen, will ich jetzt verraten, da? ich unsere Flagge uber Djafou zu sehen wunsche, und zwar moglichst bald.»
«Mein Geschwader hat nicht seine volle Sollstarke, Sir«, warf
Broughton ein. In der plotzlichen Stille klangen seine Worte beinahe ablehnend. Doch dann wandte er die Augen ab und fuhr fort:»Aber naturlich, wenn Sie meinen…»
Draffen nickte mit Nachdruck.»Jawohl, das meine ich, Sir Lucius. Ich habe Bombenwerferschiffe aus Lissabon angefordert. Sie werden in ein oder zwei Tagen eintreffen. «Sein Ton wurde harter.»Wenn die Flotten von Spithead und der Nore nicht so sehr mit ihren internen Angelegenheiten zu tun hatten, hatte Ihr Geschwader funfzehn oder sogar zwanzig Linienschiffe statt vier. «Er zuckte die Achseln.»Und jetzt hat es nur eine Fregatte.»
Mit neuerlichem Achselzucken lie? er das Thema fallen.»Aber das ist Ihre Sache. «Er schnippte mit den Fingern.»Jetzt ware ein Schluck Wein angebracht, also rufen Sie den Steward wieder herein. «Grinsend sah er in die Gesichter der Offiziere, in denen sich recht gemischte Gefuhle spiegelten.»Anschlie?end haben wir noch eine Menge zu tun.»
Wieder sah er Bolitho an.»Sie sagen sehr wenig, Captain.»
Argerlich fuhr Broughton dazwischen:»Ich werde meinen Flaggkapitanselbst informieren, wenn Sie nichts dagegen haben.»
«So gehort es sich auch. Immerhin — ich werde mich Ihrem Geschwader auf einige Zeit anschlie?en. «Draffen nahm dem Steward ein Glas ab und fuhr unentwegt lachelnd fort:»Nur um sicherzustellen, da? Ihr Weg auch der meine ist — wie?»
Bolitho wandte sich ab. In Gedanken war er bereits mit Draffens munter vorgebrachten, aber au?erordentlich mageren Informationen beschaftigt.
Da? britische Schiffe aufs neue die sudlichen Verbindungswege von Bonapartes wachsendem Imperium angreifen sollten, war in der Tat eine gute Nachricht. Eine neue, strategisch gunstig gelegene Basis fur die Flotte zu erobern und zu halten, war gewi? ein Plan, zu dem sowohl Konnen als auch Phantasie gehorte.
Aber wenn andererseits Broughtons Geschwader nur die Kastanien aus dem Feuer holen, als Mittel zu dem Zweck dienen sollte, den Feind zur Verlegung bedeutender Streitkrafte aus dem Atlantik ins Mittelmeer zu veranlassen, dann konnte es fur sie alle sehr ubel ausgehen. Da? Draffen eine ganze Menge zu sagen hatte, daran war wohl nicht zu zweifeln; aber sein genauer Status blieb noch immer im dunkeln. Vielleicht wu?te er schon etwas uber eine Verschlimmerung der Lage in der Nore? Ein kleines Geschwader zu opfern, um den starken feindlichen Druck auf die Kanalflotte zu mildern, das mu?te den Lords der Admiralitat nicht mehr Skrupel verursachen als Taylors Tod Broughton belastet hatte.
Eins wu?te Bolitho ganz genau: was auch bereits entschieden sein mochte, er wurde in jeder Phase direkt und personlich beteiligt sein. Diese Aussicht hatte ihn eigentlich freuen mussen; aber der Gedanke, da? der Oberbefehl in den Handen Broughtons und Draffens liegen wurde, gab der Sache einen ganz anderen Aspekt.
Broughton war zu Fourneaux getreten und sprach mit ihm. Draffen kam zu Bolitho heruber, offenbar im Begriff, sich zu verabschieden.
«Freut mich, Sie kennengelernt zu haben, Captain«, sagte er.»Ich glaube, wir werden gut miteinander auskommen. «Er machte Calvert ein Zeichen und fuhr ganz beilaufig fort:»Ubrigens kannte ich Ihren Bruder. «Damit drehte er sich kurz um und ging zu Broughton und den anderen hinuber.
VI Im Verband
Erst drei Tage spater bekam Bolitho Sir Hugo Draffen wieder zu Gesicht. Er hatte an Bord der Euryalus und auf den anderen Schiffen so viel zu tun gehabt, da? ihm wenig Zeit zum Nachdenken uber Draf-fens Abschiedsworte geblieben war.
Die Tatsache, da? er Hugh gekannt hatte, verriet, da? Draffen in Westindien gelebt und gearbeitet hatte oder sogar in Amerika wahrend der Revolution. Sonst ware es wenig sinnvoll gewe sen, da? er so geheimnisvoll tat. Draffen war der typische Geschaftsmann, einer von denen, die Kolonien grunden halfen, um personlichen Gewinn daraus zu ziehen. Ein gerissener Kaufmann, der auch, Bolithos Ansicht nach, ziemlich rucksichtslos sein konnte, wenn es sich so ergab.
Vielleicht war Draffens Bemerkung nur ein Eroffnungszug gewesen, um mit Bolitho in personlicheren Kontakt zu kommen. Wenn sie in den nachsten Wochen und Monaten harmonisch zusammenarbeiten sollten, war das ganz naturlich. Aber seit sein Bruder zum Feind ubergelaufen war, hatte Bolitho eine regelrechte Mauer der Vorsicht in seinem Innern aufgebaut und reagierte auf die blo?e Erwahnung von Hughs Namen mit krankhafter Empfindlichkeit.
Es gab viel zu tun: Erganzung der Verpflegungs- und Trinkwasservorrate fur die Reise und Ubernahme aller Ersatzteile, die man von der
Administration durch Bitten oder Bestechung ergattern konnte. War man erst einmal im Mittelmeer, so hatte man keine Basis mehr und war auf solche Lebensmittel angewiesen, die man erbeutete oder sonstwie beschaffte.
Aus einem weiteren, noch dringlicheren Grunde war Selbstversorgung notig. Zwei Tage nach dem Ankerwerfen hatte Bolitho eine Korvette in die Bucht kreuzen sehen, die, wie es hie?, Depeschen aus England brachte.
Unverzuglich hatte Broughton ihn kommen lassen und ihm mit grimmigem Gesicht eroffnet:»Die Meuterei in der Nore hat sich ausgeweitet. Fast alle Schiffe sind in den Handen von Delegierten.«Er spie das Wort aus, als sei es Gift.»Sie blockieren die Themse und stellen der Regierung erpresserische Forderungen.»
Broughton war aufgesprungen und ruhelos in der Kajute umhergegangen wie ein wildes Tier im Kafig.»Und Admiral Duncan sollte Blockade vor der hollandischen Kuste fahren. Was kann er jetzt noch tun, wenn die meisten seiner Schiffe in den Handen von Aufruhrern sind und festliegen?»
«Ich werde die anderen Kommandanten informieren, Sir.»
«Ja, sofort! Die Korvette segelt gleich wieder mit Depeschen nach England zuruck; es ist also kaum zu befurchten, da? unsere Leute angesteckt werden. «Etwas langsamer fuhr er fort:»Ich habe in meinem Bericht auch den Verlust der Auriga mit allen Einzelheiten geschildert. Es konnte den Franzosen einfallen, sie zu Spionagezwecken zu benutzen; je eher also unsere Flotte uber ihre neue Nationalitat Bescheid wei?, um so besser. Wir wissen noch nicht, ob sie die Flagge tatsachlich auf Grund einer Meuterei gestrichen hat. «Dabei hatte er Bolitho nicht angesehen.»Vielleicht waren alle Offiziere schon gefallen oder kampfunfahig, als sie Bord an Bord lagen; so kann die fuhrungslose Mannschaft uberwaltigt worden sein.»
Aber offensichtlich glaubte er das ebensowenig wie Bolitho. Immerhin blieb genug Raum fur Zweifel offen, da? Broughton diese Ausfluchte in seinem Bericht unterbringen konnte. Gerade jetzt konnte die Nachricht, da? ein britisches Schiff zum Feinde ubergegangen war, noch mehr (und wenn moglich schlimmere) Unruhen in der Flotte auslosen.
Broughton hatte sich nicht gescheut, immer mehr Arbeit auf Bolitho abzuwalzen, wahrend das Geschwader seeklar gemacht wurde. Die
Nachrichten von der Nore und der Verlust der Auriga hatten ihn merklich beeindruckt. Er zog sich sehr zuruck und wirkte, wenn er mit Bolitho allein war, lange nicht so gelassen wie fruher. Was er in Spithead mit seinem eigenen Flaggschiff erlebt hatte, schien eine tiefe Narbe in seinem Gemut hinterlassen zu haben. Er verbrachte viel Zeit an Land, fuhrte Besprechungen mit Draffen und dem Gouverneur, aber er fuhr immer allein und behielt seine Gedanken fur sich.