Admiral Bolithos Erbe: Ein Handstreich in der Biskaya - Kent Alexander (читаем полную версию книг бесплатно txt) 📗
«Segel Steuerbord achteraus!«meldete der Ausguck.
Neale eilte herzu und rief auf ein kurzes Nicken Bolithos:»Alle Mann an Deck, Mr. Pickthorn! Wir gehen sofort uber Stag und so hoch an den Wind wie moglich.»
Noch bevor der Erste Offizier sein Sprachrohr angesetzt hatte oder die Bootsmannsmaaten mit schrillenden Pfeifen durchs Mannschaftslogis rannten, stellte Neale schon seine Berechnungen an, obwohl er den Neuankommling noch gar nicht sehen konnte.
Bolitho beobachtete, wie die Seeleute und Soldaten durch die Luken hasteten und auf beiden Seitendecks entlangrannten, bis sie von den Decksoffizieren und Steuerleuten auf ihre Stationen eingewiesen wurden.
«Es wird schon heller, Sir«, sagte Neale.»Bald werden Sie…»
«Bemannt die Brassen! Klar zur Wende!»
«Hartruder!»
Mit wild schlagenden Rahen und Segeln, mit Blocken, in deren Scheiben die Taue kreischten wie Vogel in Todesnot, drehte Styx schwerfallig durch die Seen, wobei Spritzwasser bis zu den Seitendecks einstieg und die an den Brassen ziehenden Seeleute wie mit Schrotkornern beharkte.
«Voll und bei, Sir! Kurs Sudwest zu West!»
Unter Neales wachsamen Blicken wurde das Schiff wieder unter Kontrolle gebracht; es krangte so stark, da? die Stuckpforten an der Leeseite fast eintauchten.
«Hinauf mit Ihnen, Mr. Kilburne, und nehmen Sie ein Fernrohr mit«, befahl Neale. Und fugte hinzu, ans Achterdeck im allgemeinen gewandt:»Wenn's ein Franzose ist, erledigen wir ihn, ehe er sich an der Kuste verkriechen kann.»
«Gro?e Worte«, murmelte Browne.
Bolitho spurte, da? Allday neben ihm wartete, und hob die Arme, damit der stammige Bootsfuhrer ihm den Sabel an den Gurtel schnallen konnte. Allday schien plotzlich gealtert zu sein, obwohl er gleich alt war wie Bolitho. Aber die unteren Decks hatten an Komfort nicht viel zu bieten. Selbst fur den Bootsfuhrer des Ad-mirals konnte das Leben nicht immer leicht sein dort unten; aber Allday hatte das als erster eifrig abgestritten, genauso wie er verletzt und wutend reagiert hatte, wenn Bolitho ihn nach Falmouth abkommandiert hatte, wo ihn wohlverdiente Bequemlichkeit und Sicherheit erwarteten.
Allday bemerkte Bolithos prufenden Blick und grinste trage.»Ich kann diesen Milchbarten immer noch das Zittern beibringen,
Sir!»
Bolitho nickte bedachtig. Er wu?te, wenn es einmal soweit sein wurde, dann an einem Tag wie diesem, wenn Allday wie schon so oft die alte Familienwaffe brachte und einen dummen Witz dabei machte, den Neale als Au?enseiter nicht mit ihnen belacheln konnte.
Bolitho hob den Blick zum Besanmasttopp, wo seine Flagge so steif auswehte, als sei sie aus bunt bemaltem Metall.
Schlie?lich ri? er sich argerlich zusammen. Wenn Beauchamp einen anderen Admiral als ihn mit diesem Auftrag betraut hatte, ware es ihm auch nicht recht gewesen.
Allday spurte Bolithos Stimmungsumschwung und zog sich beruhigt zuruck.
Auf dem Achterdeck hoben sich mehrere Teleskope wie kleine Kanonenrohre, als Kilburnes Stimme hoch und dunn aus dem Masttopp erklang:»An Deck! Es ist ein britisches Schiff, Sir!«Dann eine kleine Pause, wahrend der Midshipman oben wohl mit einer Hand das Signalbuch aufschlug.»Und zwar Phalarope, 32 Geschutze, unter Kapitan Emes, Sir!»
«Herr im Himmel«, murmelte Allday.
Mit verschrankten Armen wartete Bolitho, bis sich Styx wieder auf einen Wellenkamm hob und er die ferne Segelpyramide auf konvergierendem Kurs sehen konnte. Er hatte gewu?t, da? sie an diesem Tag eintreffen wurde; als die Leute vorhin an Brassen und Schoten geeilt waren, hatte er den Anla? dafur vorausgeahnt.
Neale lie? den Blick nicht von ihm.»Ihre Befehle, Sir?»
Bolitho wandte sich um und sah die bunten Flaggen sich an der Signalrah entfalten: Die beiden Schiffe tauschten ihre KennNummern aus, nachdem sie einander auf den Punkt getroffen hatten. Fur fast alle in der Mannschaft bedeutete dies eine willkommene Ablenkung, Unterstutzung durch zusatzliche Feuerkraft.
«Bitte drehen Sie bei, sobald es Ihnen pa?t«, wies Bolitho seinen Flaggkapitan an.»Und signalisieren Sie an — «, der Name wollte ihm nicht so leicht uber die Zunge,»- an Phalarope, da? ich umgehend an Bord komme.»
«Aye, Sir.»
Bolitho lie? sich vom Midshipman der Wache ein Teleskop geben und ging zur Luvseite des Achterdecks hinuber. Dabei war er sich jeder seiner Bewegungen bewu?t, als sei er ein Schauspieler auf der Buhne.
Mit angehaltenem Atem wartete er, bis das Schiff unter ihm vorubergehend ruhig lag. Und da war sie. Ihre Rahen schwangen schon herum, die Bramsegel und das Gro?segel wurden mit Gewalt gebandigt, bis sie sich folgsam auf dem neuen Bug uberlegte. Bolitho bewegte das Fernrohr um ein winziges Stuck und erkannte — ehe der Bugspriet druben wieder in einer Wolke von Gischt verschwand — die vertraute Galionsfigur: den vergoldeten Vogel auf dem Delpin.
Sie war noch die alte, und trotzdem stimmte etwas nicht mit ihr. Stirnrunzelnd bewegte Bolitho das Teleskop, bis er die Seeleute druben wie Ameisen auf den Webeleinen und Seitendecks Laufplanken ausschwarmen sah, das Blau-Wei? der Offiziersuniformen neben dem Ruder erkannte.
Veraltet, das war's, was ihn an ihr storte. Wa?riges Sonnenlicht glanzte auf der hohen Kampanje der Fregatte, und Bolitho sah im Geiste wieder das feine, vergoldete Schnitzwerk vor sich, geschaffen von Meistern ihres Fachs. Ornamente aus einem anderen Jahrhundert. Neubauten wie Styx prunkten heutzutage nicht mehr mit solchen pomposen Accessoires, sie waren auch au?erlich zweckma?iger und nuchterner, ganz auf die Erfordernisse der Seeschlacht oder einer Verfolgungsjagd konstruiert.
Neale lie? sein Fernrohr sinken und sagte heiser:»Alle Teufel der Holle, Sir, aber mir kommt es vor wie gestern. Als wurde man sich selbst zuschauen.»
Bolitho sah zu Allday hinuber, der an den Finknetzen stand, die Fauste geballt, und der schnell segelnden Fregatte entgegenstarrte, bis ihm der Wind die Tranen in die Augen trieb.
Trotzdem zwang sich Bolitho, wieder hinuberzusehen. Fur ihr Alter war sie noch recht flott, reagierte auf den Anblick des Flaggschiffs genauso prompt wie damals, als sie unter Bolithos Kommando nach Antigua gesegelt war.
Neale rief:»Lassen Sie beidrehen, Mr. Pickthorn! Und die Gig aussetzen!»
Browne erkundigte sich:»Werde ich benotigt, Sir?»
«Kommen Sie nur mit, wenn Sie sicher sind, da? Ihnen unterwegs nicht schlecht wird«, antwortete Bolitho.
Allday schritt zur Schanzkleidpforte und wartete, bis die Gig verholt und an den Gro?rusten festgemacht war. Neales Bootsfuhrer nickte ihm zu und uberlie? ihm wortlos seinen Platz an der Pinne. Bolitho sah das alles, ohne es wirklich zu registrieren. Also war die Neuigkeit schon auf dem ganzen Schiff bekannt, wahrscheinlich sogar auf allen Schiffen seines Geschwaders. Er gru?te die Offiziere und Seesoldaten an der Pforte mit einem Griff zum Hut und sagte leise zu Neale an seiner Seite:»Ich werde fur uns alle die Bekanntschaft erneuern.»
An wen dachte er dabei? An Allday und Neale, an Herrick daheim in Plymouth, auch an seinen Steward Ferguson, der in der Schlacht bei den Saintes einen Arm verloren hatte. Oder sprach er auch fur die anderen, die nie mehr zuruckkehren wurden?
Dann sa? er im Heck der Gig, und die Riemen schlug bereits in die hochgehenden Seen, um das Boot gut frei zu halten von der Bordwand der Fregatte. Allday gab die Kommandos.»Alle Mann — zugleich!«Bolitho sah zu ihm auf, aber Allday hielt den Blick aufs Schiff gerichtet. Sie hatten beide gewu?t, da? es so kommen konnte, aber jetzt waren sie befangen.
Bolitho hakte den Halsverschlu? seines Bootsmantels auf und schlug ihn so zuruck, da? die Goldepauletten mit ihrem neuen silbernen Stern sichtbar wurden.
Die Phalarope war nichts weiter als ein Schiff, das sein mageres Geschwader verstarken sollte, sagte er sich. Aber dann gewahrte er Alldays verkrampfte Schulterhaltung und wu?te, er machte sich etwas vor.